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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 —
Als ungefährer Anhalt über den Bau einer solchen Drehbude möge noch der Längsschnitt Fig. 75 dienen.
Jede Seite beträgt 2.0 bis 2.2 m, die Höhe vorn 2.9, hinten 1.8 m; die Thür t nimmt die ganze Vorderseite
der Hütte ein; da der Haspel h dicht hinter der Thür stehen muss, um den Draht auch hei hochstehendem
Drachen von Thürrahmen und Dach freizuhalten, so ist eine etwa 0.7 m breite Vorstufe zweckmässig, die
sich mit der Hütte dreht und von allen Seiten eine bequeme Bedienung des Haspels gestattet; ss ist die
Kreisschiene, auf der die Hütte mit drei Rädern ruht, deren eines bei r zu sehen ist. Geht der Draht
ohne Vorlegerolle direkt von der Trommel in die Luft, so steht in der Regel bei v der Mann, der den
Draht bei feuchtem Wetter während des Einhievens abwischt, event. auch ölt, und so weit erforderlich,
über die Trommel vertheilt. Ein einfaches Holzstück, auf dessen eines Ende ein Kissen aus trockenen Lappen
oder Twist, auf dessen anderes ein Oellappen gebunden ist, thut dabei gute Dienste, wenn man den Draht
über beide passiren lässt und so zuerst die Wassertropfen entfernt und dann die Wasserhaut durch eine
Oelhaut ersetzt. Eine Leitrolle, die womöglich auch als Landungsrolle (s. Abschnitt 7) benutzt werden
kann, muss leicht und schnell auf den Draht aufgesetzt werden können, sobald ein stärkeres Leiten des
Drahtes nöthig wird, als sich gut mit den Fingern thun lässt.
7. Abschnitt.
Handhabung der Drachen.
a) Hantierung mit den Drachen am Erdboden. Am Erdboden lassen sich Drachen im
Winde, auch wenn sie sehr gross sind, leicht regieren und tragen, wenn man sie auf der Windseite an
fasst und in der Stellung hält, in welcher sie fliegen. Ist der Wind stark und der Drache gross, so genügt
es, wenn ein Mann denselben mit beiden Händen an zwei Stellen in der Nähe des Vorderrandes anfasst;
der Wind hält dann den Drachen, frei vom Boden, schwebend.
Für den Aufstieg bringt man den Drachen möglichst genau leewärts vom Haspel, bei starkem Winde
etwa 50 m, bei schwachem bis zu 200 oder mehr Meter ab. Der Draht muss dabei stets gut gestreckt
bleiben, um die Bildung von Kinken zu vermeiden. Bis zum Aufstieg lässt man grosse Drachen am besten
mit der Gesichts- oder unteren Seite auf dem Boden liegen, und richtet sie erst zum Aufstieg auf, indem
man hinter den Drachen tritt. Bei frischem Winde steigt ein guter Drache auf, wenn er mit dem Schwanz
ende noch auf dem Boden steht; freilich gehört freie Lage des Ortes dazu, die zu einem guten Aufstieg
überhaupt nothwendig ist. Bei schwachem Winde hält man den Drachen so hoch, als thunlich ist, empor
und lässt erst los, wenn man den Druck des Windes auf den Drachen spürt. In jedem Falle ist aber
darauf zu achten, dass der Drache im Augenblick des Aufstiegs senkrecht steht und senkrechten Auftrieb
hat, da er sonst zur Seite fliegt und leicht umschlägt. Fühlt man, dass der Drache nach einer Seite neigt,
so folge man mit dessen unterem Ende dieser Bewegung, um immer dieses Ende unter dem Mittelpunkt zu
halten, bis der Aufstieg erfolgt. Im Augenblick des Aufstiegs kann man diesen durch einen leichten Stoss
aufwärts unterstützen, ein Emporwerfen des Drachens hei zu schwachem Winde ist aber zu vermeiden, da
der Drache doch zurückfällt und dabei zerbrechen kann. Darf man erwarten, dass der am Boden etwas
zu schwache Wind in der Höhe von 100 oder 200 m stark genug ist, um den Drachen zu tragen, so kann
man versuchen, ihn durch abwechselndes Einholen und Auslassen des Drahts am Haspel in genügenden
Wind zu bringen. Der Gehülfe, der den Drachen gehalten hat, muss aber dann suchen, unter dem Drachen
zu bleiben, bis dieser zum „Stehen“ gekommen ist, um ihn aufzufangen, wenn er fallen sollte. Bei Malay-
Drachen ist diese Vorsicht entbehrlich, da sie sich selten beim Fallen Schaden thun; auch beim neuen
„Frosch“-Modell der Seewarte ist ein Bruch dabei nicht wahrscheinlich, aber die Verbindungen geben bei
solchen wiederholten Stössen nach und deshalb ist ein Auffangen desselben doch räthlich. Während man
Leine aussteckt, nimmt natürlich der Winddruck auf den Drachen ab; das „Stehen“ des Drachens besteht
darin, dass auch bei massigem Ausgeben von Leine sein Höhenwinkel nicht viel abnimmt. Ist dieses er
reicht, Jso muss man Sorge tragen, möglichst bald 100 und mehr Meter über den Boden hinauf zu kommen,
damit nicht, wenn der Wind leicht ist, bei einer vorübergehenden Abnahme desselben der Drache wieder zu
Boden sinkt, oder bei starkem Winde er durch einen Windstoss umgeworfen wird und herabscliiesst. Denn
die unterste Luftschicht ist durch die Hindernisse, die die rauhe Bodenoberfläche dem Winde darbietet, in
Wirbel und Wellen geworfen, die eine Art Brandung darstellen, in der auch der stabilste Drache nicht