34
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1896 Ko. 4 —
der Uhrzeiger vor sich geht, wenn man sich so stellt, dass der Wind von der linken nach der rechten
Hand weht.
Hie linksdrehenden Wirbel kommen am meisten vor, sie erklären die grösste Anzahl der Gewitter und
zwar alle jene, welche zur Gruppe der Böen und Wärmegewitter gehören. Unsere Erklärung werden wir
mit den rechtsdrehenden anfangen, also mit den Sturmgewittern. Biese, obschon die einfachsten, sind die
seltenen und am wenigsten bekannten. Die Umstände, unter denen sie in den Niederlanden auftreten, sind
ungefähr folgende.
Sturmgewitter. In der ungünstigen Jahreszeit herrscht unter dem Einflüsse eines sehr kräftigen Luft
druck-Minimums , dessen Zentrum in der nördlichen Nordsee vorkommt, heftiger SW-Sturm. Regen oder
Schnee fällt aus gänzlich überzogenem Himmel. Bisweilen tritt eine kurzdauernde theilweise Aufklärung
ein, doch bald überzieht sich der Himmel von neuem. Der Sturm wächst fortwährend. Plötzlich, ganz
unerwartet, zuckt eiu Blitzstrahl durch die Luft, unmittelbar gefolgt von einem knatternden Donnerschlag.
Bisweilen bleibt es bei einer einzigen elektrischen Entladung, aber meistens folgen innerhalb weniger Minuten
noch mehrere. Ihre Anzahl ist jedoch immer gering und höchstens auf fünf zu veranschlagen. Zur selben
Zeit mit dem Blitzstrahl fängt es an zu hageln. Die Körner, manchmal bis zur Grösse eines Schussers,
sind kugelrund und bestehen nicht aus Eis, sondern aus Schnee, welcher ziemlich lose, jedoch nicht all zu
fest in Kügelchen zusammeugehallt ist. Der Winddruck, welcher unmittelbar vor dem Gewitter in einigen
kräftigen Stössen sein Maximum erreicht, flaut plötzlich ab. Die Richtung, welche sehr unbeständig und
ungefähr SW war, springt auf einmal nach W oder NW. Der Wind weht und zwar konstanter während
einiger Zeit aus dieser Richtung, um nach und nach wieder nach SW zurückzudrehen. Die Haupterscheiiumg
des Luftdruckes ist eine Druckstufe in einer, seit der letzten halben Stunde etwas schnelleren Senkung der
Kurve des Barogramms. Auch die relative Feuchtigkeit steigt, indem die Temperatur schnell fällt.
Alle diese Erscheinungen wiederholen sich der Hauptsache nach oberhalb eines relativ schmalen Land
strichs, welcher sich in grosser Entfernung senkrecht zur Windesrichtung erstreckt. Die elektrischen Er
scheinungen begrenzen sich nur zum inneren Rande dieser Zone. Die ersten Erscheinungen treten muth-
maasslich immer an der Küste oder an der Leeseite einer Gebirgskette auf; die elektrische Entladung
besteht hier aus einem einzigen Strahl. Die grössere Zahl der Blitze an anderen Orten ist vielleicht aus
dem An- und Abziehen der ganzen Erscheinung zu erklären. Ungeachtet dieser geringen Zahl und der
kurzen Dauer der Erscheinung ist die vom Blitze getroffene Zahl der Gegenstände sehr gross, welches auf
geringe Höhe des Kernes der Erscheinung zu deuten scheint. Abgesehen von diesen kurzdauernden, sehr
energischen Erscheinungen bleibt das Wetter unverändert und bald stürmt cs von neuem aus SW mit Regen
und Schnee. Oft wird dieses Gewitter gefolgt von einer Periode weitverbreiteten Schneefalls und Kälte.
Zwei typische Beispiele sind die Gewitter vom 8. Februar 1889 und 6. Januar 1892 in den Niederlanden.
Diese Gewitter sind durch rechts drehen de Wirbel als Folge turbulenter Luftbewegung zu erklären.
Unter den angedeuteten Umständen kommt die Luft mit Sturmeseile aus dem Meere über das Land und
dabei kann es Vorkommen, dass lokal und momentan die Geschwindigkeit grösser ist, als mit permanenter
Bewegung möglich ist, dann tritt dort zur Stelle auf einmal wirbelnde Bewegung ein. Diese lokale und
momentane sehr grosse Geschwindigkeit ist zwar nicht zu beweisen, doch dies ist blos eine Folge des sum-
mirenden Charakters der Apparate zur Registrirung der Windgeschwindigkeit mittelst Anemometer. Diese
Annahme wird jedoch genügend bestätigt durch die kontinuirlich registrirenden Winddruck-Instrumente an
den Orten, wo das Gewitter liinüberzieht. Der Winddruck wächst sehr schnell und zeigt dabei eine fort
während zunehmende Zahl stets kräftiger Wiudstösse, welche mit dem Eintreten des Gewitters auf einmal
fortbleibeu, und sogleich wird der mittlere Druck beträchtlich verringert. Die rotationelle Bewegung ist
ausser der Windgeschwindigkeit von einem Hinderniss abhängig; als solches tritt die Küste ein, sei es blos
durch vermehrte Reihung, sei es daneben durch Luftströme Die aus dem Meere kommenden Lufttheilchen
werden in die Höhe gelenkt; in Folge ihrer grossen Bewegungsenergie behalten sic die neue Bahn länger,
als für das Umgehen des Hindernisses nötliig ist. Auf diese Weise entsteht unmittelbar hinter dem Hinder
niss ein luftverdünuter Raum, bis plötzlich die in die Höhe gedrängte Luft sich wirbelnd hier hinein stürzt.
Die theilweise aufgehaltene Luft an der Küste muss nach dieser Richtung ausweichen, und weil die noth-
wendige grosse Geschwindigkeit nur einen Augenblick dauern kann, so ist damit die doppelte Veranlassung
zur wirbelnden Bewegung fortgenommen. Nach einigen Kreisläufen stirbt die wirbende Bewegung auf der
Stelle aus. Wie nun der vertikale Wirbel an der Spitze eines Thurmes sich nach unten in der ruhigen