No. 3.
Beitrag zur Bestimmung der Refraktions-Konstanten.
Von L. Ambronn, Assistent der Deutschen Seewarte.
Sowohl auf der 2. Deutschen Nordpolarfahrt als auch bei anderen Gelegenheiten wurden Beobacht
ungen gemacht, welche darauf hinzuweisen schienen, dass die Konstanten der Refraktion in den höheren
Breiten unserer Erde, vielleicht vermöge der dort nicht selten von der gewöhnlichen Annahme abweichenden
Temperaturvertheilung in der Atmosphäre herrührenden abnormen Zustände, andere Werthe hätten als in
unseren Gegenden, — Es wurde aus diesem Grunde bei Aussendung der Deutschen Expeditionen im Systeme
der internationalen Polarforschung, namentlich derjenigen, welche nach dem Norden ging, darauf Bedacht
genommen, dass an der zu gründenden Station diesbezügliche Beobachtungen angestellt werden konnten.
Diese Beobachtungen wurden jedoch, als den Hauptzwecken der Expedition ferner liegend, nur als fakultative
angesehen und sind in Folge dessen sowohl als auch noch aus einem anderen Grunde, welcher später
erklärt werden mag, nicht so häufig augestellt worden, als es im Interesse der Sache wünschenswerth ge
wesen wäre. Namentlich konnten Beobachtungen über die astronomische Strahlenbrechung wegen der für
dieselben ungünstigen Lage der Station nur sehr vereinzelt erlangt werden. — Ueber die terrestrische Re
fraktion liegen aber doch so viele Beobachtungen vor, dass ihre Mittheilung immerhin von Interesse sein
dürfte. Ich werde daher in Folgendem zunächst diese Beobachtungen nebst den dazu nöthigen Vorarbeiten,
Instrumenten und Messungsmethoden näher erläutern und dann später auch diejenigen, welche die astrono
mische Strahlenbrechung betreffen, mittheilen, sowie an geeigneter Stelle eine Reihe von barometrischen
Höhenmessungen und deren Resultate einfügen.
I. Anbringung der beiden Signale, deren Zenithdistanzen gemessen wurden.
Da es unter den obwaltenden Verhältnissen nicht möglich war gegenseitige Zenithdistanzen, wie es
gewöhnlich geschieht, zu messen, ebensowenig der Meereshorizont beobachtet werden konnte, da derselbe
an keiner Stelle des Horizontes frei war, so mussten zu diesem Zwecke Miren angebracht werden, deren
Höhen über der Achse des benutzten Universal-Instrumentes und deren Entfernungen von Letzterem
möglichst genau zu ermitteln waren. —
Die zu den eigentlichen Refraktionsmessungen dienende Mire befand sich jenseits des südlich von
unserer Station gelegenen Kingua-Fjordes nahezu genau im Süden des Universal-Instrumentes in einer Ent
fernung von fast 7 Kilom. Dieselbe hatte eine kreisförmige Form (s. Fig.) von etwa 60 cm
Durchmesser und es waren darauf auf weissem Grunde 2 sich schief schneidende rothe Striche von
(nahe 8 cm Breite gezogen. Sie war einige Meter über dem höchsten Wasserstande an den steil
zum Fjorde abfallenden Felsen gut befestigt. Leider konnte dieselbe erst Mitte Mai an Ort und
Stelle gebracht werden, so dass die kälteste Zeit nicht mehr in die Beobachtungsperiode fällt; doch kann
durch diese Verzögerung nur die letzte Hälfte des April und die erste des Mai als verloren angesehen
werden, da während der grössten Kälte das der Expedition mitgegebene Universal-Instrument wegen seiner
Konstruktion überhaupt nicht in Thätigkeit kommen konnte. Es war nämlich die Messingbüchse des
Mikroskopträgers auf einen stählernen Konus der Achse aufgesetzt, welcher Umstand veranlasste, dass durch
das ungleiche Zusammenziehen von Messing und Stald schon bei einer Temperatur von —25 bis— 30° C.
der Obertheil des Instruments sich nicht mehr bewegen liess. Diesem Uebelstande konnte während der
Hauptkälteperiode überhaupt nicht abgeholfeD werden, später dann durch Einlegen eines dünnen Stahl
ringes zwischen Konus und Mikroskopträger nur auf Kosten der Stabilität des Instrumentes.
Archiv 1886. 8.
1