Wegener, K.: Klima- und Kulturzonen .
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lassen, Die Tropenzone ist das Gebiet, in dem menschlicher Intellekt und mensch-
licher Arbeitswille verbraucht werden.
2, Im Gegensatz hierzu steht die gemäßigte und kalte Zone. Hier zwingt
die karge Natur, Erfindungsgabe und List zu entwickeln, um überhaupt bestehen
zu können. Der Intellekt, kräftig entwickelt, richtet sich hierbei ursprünglich
und grundsätzlich gegen die Naturkräfte. Und die Arbeit ist hier eine Selbst-
verständlichkeit, ohne die die Natur dem Menschen keine Frucht bietet. In der
Auffassung der Arbeit aber begegnen wir in diesen Breiten, welches Volk wir
auch betrachten, einer Eigentümlichkeit, die der Erwähnung bedarf. Auch
geistige Arbeit (Erfindung, Zergliederung) ist Arbeit, Aber sie dient zugleich
als Aushängeschild für das Heer derer, die von fremder Arbeit durch Über-
listung, Betrug, Wucher und Spekulation leben, und Verachtung für dieses Heer,
Ehrfurcht vor dem Begriff wirklicher Arbeit hat das eigentliche Volk in den
gemäßigten und kalten Breiten überall dahin geführt, die geistige Arbeit voll-
ständig zu verwerfen und nur die körperliche anzuerkennen. Arbeiter (Maschine),
Handwerker und Bauern erkennen in ihrem Idealbild des Staates ausschließlich
die körperliche Arbeit an.
Die Arbeit ist in dieser Zone Lebenszweck und Inhalt. Der Wille zur Arbeit
überragt alle andern Richtungen und Ziele des Willens.
Die Kultur kann sich in diesen Breiten infolge des Widerstandes, den das
Klima bietet, nur langsam entwickeln, aber sie schreitet verhältnismäßig stetig
fort, eben weil sie nicht ein bequemes Geschenk der Natur, sondern mühsam
erkämpft ist. Der augenblickliche starke Fortschritt, der mit dem Problem
unsrer Zeit (Kohle — Petroleum) eng verbunden ist, bedeutet eine Unstetigkeit
und ist schwerlich von langer Dauer.
3. Die Zwischenzone. In der dazwischenliegenden Zone, von den Subtropen
bis zum Mittelmeerklima, segnet die Natur den Pflanzenwuchs, In den Subtropen
gedeihen fast alle Pflanzkulturen der gemäßigten Breite, bringen 2—3fache
Ernte, und zugleich gedeihen dort noch manche tropischen Pflanzkulturen. Beim
Übergang vom gemäßigten zum warmen Klima wächst die Zahl der anbaufähigen
Nutzpflanzen außerordentlich stark. Wer im gemäßigten Klima (Kanada) zu
pflanzen beginnt, muß ein Jahr warten, bis er wenigstens den größten Teil eines
zunächst ziemlich einförmigen Lebensunterhaltes erhält. In den Tropen (Banane,
Taro) erhält er zwar einen primitiven Lebensunterhalt sehr schnell, um so
schwerer aber wird für ihn die Aufgabe, wenn er moderne Pflanzkulturen
(Kakao, Kaffee, Kautschuk, Kokospalme) unternimmt — wenn er also nicht zum
tropischen Indianer oder Neger abzusinken wünscht —, weil er 5—7 Jahre auf
den ersten Ernteertrag warten, 5—7 Jahre also in einem erschlaffenden Klima
nur für die Zukunft, und dies bei primitivster Lebenshaltung, arbeiten muß.
In der Zwischenzone dagegen vermag er schon nach !/, Jahr gut!zu leben. In
dieser Zone vermag daher menschliche Kultur am leichtesten zu entstehen.
Auch die Wüstengebiete möchte ich in diese Zone gesegneten Pflanzen-
wuchses einschließen, denn auch hier entsteht menschliche Kultur sehr leicht,
sobald durchfließende oder benachbarte Flüsse zur Bewässerung benutzt werden
{Euphrat, Nil). Die Wüstengebiete bilden ein ungeheures Reserveland der
Menschheit. Das Wasser der Wolga, das heute ungenutzt ins Meer fließt, würde,
in Kanälen in die benachbarten Wüstengebiete geleitet, 50 Millionen Menschen
in Nahrung setzen. Denn Düngersalze sind von Natur aus in genügender Menge
in der Wüste vorhanden; es bedarf nur des Wassers, um sie aufzulösen. Man
braucht daher die Wüstengebiete von der Zone bevorzugten Pflanzenwuchses
nicht ausnehmen,
Wer aber diese Zone, vom Mittelmeer bis zu den Subtropen, besuchen würde
in der Erwartung, den gesegneten Boden sorgfältig bebaut zu sehen, würde
schwer enttäuscht werden. Nirgends wird rücksichtsloser der Baum gefällt ohne
Nachpflanzung als in dieser Zone, nirgends sonst findet man so große und wert-
volle Ländereien wüst liegend, soviel Ruinen von Häusern, Dörfern und Städten,
weil dem unerhörten Reichtum der Flora die Einwirkung des Klimas auf den
Menschen entgegensteht. Der Intellekt sinkt freilich bei Einwanderern nach
Küpnen-Heit d. Ann. d. Hydr. usw. 19286,