3. Aus dem Arbeitsbereich der Abteilung H.
6. Aus dem Arbeitsbereich der Abteilung H
(Ozeanographische Abteilung),
Die meereskundliche Forschung in ihrer Gesamtheit und in ihrer
Bedeutung für den Seeverkehr.
Von Prof, Dr. 6. Schott,
Im ersten Satze der Einleitung zu dieser Schrift (S. 3) stehen die Worte:
„Die Erforschung der physikalischen Verhältnisse aller durch den Verkehr der
Völker berührten Meere . .. ist zur Entwicklung, zur Förderung und Sicherheit
des Verkehrs unerläßlich“. Das trifft den Kern der Sache, Es geht nicht an,
etwa nur die an unsere Küsten grenzende Nordsee und Ostsee zu erforschen,
so wichtig diese heimischen Meere für uns sind; der ganze Ozean muß von
einem Institut wie der Seewarte ständig in den Kreis der Betrachtung und Er-
forschung gezogen werden, praktisch genommen schon deshalb, weil unsere
Schiffahrt wieder in alle Meere der Erde geht, wissenschaftlich deshalb, weil
die Eigenschaften der kleinen Nebenmeere und die Vorgänge in ihnen, z. B. in
der Nordsee, in den wichtigsten Punkten abhängen von den entsprechenden
Verhältnissen des freien Ozeans, des Weltmeeres, also ohne deren Kenntnis
durchaus unverständlich bleiben.
Das auf den vorhergehenden Seiten bei Abteilung G ausführlich behandelte
Problem der Sturmfluten der Nordsee stellt somit räumlich nur einen äußerst be-
schränkten Teil des gesamten ozeanographischen Forschungsgebietes dar; auch
zeitlich sind die Sturmfluten mit ihren Begleiterscheinungen glücklicherweise
nur ein vorübergehender kurzer Ausschnitt aus einer langen Reihe aneinander
schließender Vorgänge im Meere und in der Atmosphäre. Der Abteilung H liegt
lie umfassende Aufgabe ob, in weitem Blick die Naturverhältnisse aller drei
Ozeane der Erde zu erforschen undg. die Vorgänge zu überwachen, durch Heran-
holen eigener Beobachtungsdaten, durch Bearbeitung schon vorhandenen Ma-
teriales, durch Bereitstellung der Ergebnisse wiederum der Schiffahrt und zahl-
reichen anderen Interessenten zur Seite zu stehen. Daß dabei aus personellen
und sachlichen Gründen gegenüber der Größe des Objekts starke Bescheidenheit
in der einzelnen Zielsetzung notwendig wird, ist klar: wie schon Heincke-
Helgoland sagte, der Ozean ist so groß, daB man ihm eigentlich nur mit großen
Mitteln zu Leibe gehen kann, und der einzelne Forscher nur wenig bedeutet,
Einige Beispiele aus der jüngsten Praxis, Der Golfstrom mit seinen zweifellos
vorhandenen weitreichenden. klimatischen Folgewirkungen bleibt noch heute,
nach mehr als 150 Jahren seit Benjamin Franklins Darstellung, eine in letzter
Ursprungsstätte und physischer Bedingtheit umstrittene Erscheinung. Sein Ver-
halten im Grenzgebiet mit dem Labradorstrom an der Neufundland-Bank erfordert
schon wegen der Nebel- und Eisverbreitung daselbst genaueste Untersuchung,
Die U. S. Coast Guard in Washington, die seit dem Untergang des Riesendampfers
„Titanic“ in internationalem Auftrag während jedes Frühjahrs und Sommers ein
Bewachungsfahrzeug in der kritischen Meeresgegend dauernd stationiert hält, in
Deutschland die Seewarte, in anderen Ländern die hydrographischen Ämter sind
bemüht, durch wissenschaftliche Bearbeitung der Temperatur-, Salzgehalt- und
Druckverhältnisse des Meerwassers dieser und ähnlicher Gegenden den nor-
malen Zustand der Meeresströmung und die Ursachen anormaler Zeiten zu er-
gründen. Neben der Neufundland-Bank sind als kritische Gegenden u. a. zu
bezeichnen die Gewässer in der Biskaya, die in der weiteren Umgebung vor
Jem La Plata, im Indischen Ozean die Gegend am Kap Guardafui einschließlich
der ganzen Somaliküste, endlich alle Küstengebiete mit kaltem Auftriebwasser,
Vor kurzem ging eine Alarmnachricht durch die Zeitung, daß an der West-
küste des äquatorialen Südamerikas die Strömungen und das Klima von Ecuador
und das des nördlichen Peru vollkommen gestört seien und vielleicht sogar die
chilenischen Salpeterlager gefährdet werden würden, infolge unerhörter abnormer
Regenmengen. Es konnte gezeigt werden, daß in der Tat eine Abänderung der
Humboldtströmung und der Äquatorialgegenströämung vorliegt, daß aber solche