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Gehen wir von den thermischen Verhältnissen des Winters aus, so benutzen wir die bereits veröffentlichten
Ergebnisse der Poseidon-Fahrt im Januar/Februar 1936 (s. (20) S. 20/21 und die Fig. 45a bis k). Fassen wir diese
noch einmal kurz zusammen: Im allgemeinen herrscht in der Deutschen Bucht zu dieser Jahreszeit Flomothermie
vor. Kräftige Durchmischung und gute Durchlüftung der verschiedenen Wasserarten von der Oberfläche bis zum
Boden findet statt. Konvektion und advektive Wasserbewegungen unter ständiger Vermischung rufen diesen hy
drographischen Aufbau hervor. Wenn örtlich zu dieser Zeit thermische Schichtung vorkommt, so ist hier meistens
der Einfluß kontinentaler Wassermassen die Ursache. Diese war nur in der Elb- und Wesermiindung sowie im
westfriesischen Küstenwasser zu beobachten. Das Bodenwasser ist wärmer als die Oberflächenschicht. Durch Ein
strom schwereren, aber wärmeren Nordseewassers und stärkeren Abfluß von leichterem, aber kälterem Küsten
wasser haben diese beiden Wasserarten etwa in 10 m Wassertiefe eine mehr oder weniger ausgeprägte Schichtung
hervorgerufen. Die vertikalen Temperaturunterschiede im ostfriesischen und nordfriesischen Küstenwasser sind
nur gering. In allen übrigen Gebieten der Konvergenzzone und Randgebieten der Deutschen Bucht herrscht über
wiegend Homothermie vor. Dieser thermisch einheitliche vertikale Aufbau kann im Winter dadurch gestört wer
den, daß bei langandauernden ablandigen Winden das kältere, aber leichtere Küstenwasser sich weit nach Westen
und Nordwesten vorschiebt, so daß es vor allem in der Konvergenzzone das schwerere, aber relativ wärmere Nord
seewasser überlagert. Bei gleichzeitiger zunehmender Abkühlung des Oberflächenwassers bildet sich in strengen
Wintern die sog. Eisträgerschicht (nach Nusser) heraus.
Mit dem Eintritt der kontinentalen Erwärmung und ihrer Einwirkung auf den hydrographischen Vertikalauf
bau der Deutschen Bucht hört die Homothermie auf. In den Frühjahrsmonaten, besonders von April bis Juni, tritt
in der Deutschen Bucht thermische Schichtung ein. Diese Schichtung, welche sich bis zum Frühsommer hin ver
stärkt, erscheint am ausgeprägtesten über den tieferen Regionen der Deutschen Bucht, also vor allem in der Kon
vergenzzone außerhalb der eigentlichen Küstenwasserregion. Wie die Abb. 34 bis 37 deutlich heraussteilen, nimmt
die Schichtung bis zum Sommer zu und erreicht im allgemeinen, wie die Feuerschiffsbeobachtungen aus dem Ge
biete der Konvergenzzone aussagen, in den Monaten Juni und Juli ihren Höhepunkt, also ungefähr 1 bis 2 Monate
früher als in der offenen Nordsee (s. Dietrich (38): August). Die thermische Sprungschicht bildet sich z. B. im Juni
(s. die Vertikalschnitte im Juni 1930) zwischen 15 und 20 m Tiefe heraus, über den flacheren Teilen der Deutschen
Bucht schon in 10 m Tiefe. Deutlich ist zu dieser Jahreszeit im Vertikalaufbau eine Zweiteilung zu erkennen: eine
sehr warme Ober- oder Deckschicht und eine relativ kalte Unterschicht. Die vertikale Ausdehnung der Deck
schicht, welche bei Beginn der Erwärmung höchstens eine Dicke von 5 m aufweist (im April/Mai), nimmt bis zum
Sommer zu, von 10 m im Mai bis zu rund 20 m im Juni. Auch in horizontaler Richtung ist in der vertikalen Tem
peraturverteilung eine Zweiteilung zu erkennen. Deutlich ist die Küstenwasserregion, hier im besonderen das nord
friesische Küstenwassergebiet, von dem Konvergenzgebiet der Deutschen Bucht zu unterscheiden. Das Küsten
wassergebiet kann man nach See zu ungefähr mit der 20 m Tiefenlinie von der über den größeren Tiefen sich
ausdehnenden Konvergenzzone abgrenzen. Die Küstenwasserregion unterscheidet sich von der Konvergenzzone
dadurch, daß trotz zunehmender Erwärmung des Küstenwassers keine großen Temperaturunterschiede zwischen
Oberfläche und Boden entstehen. Durch den stärkeren Gezeitenstrom in diesen Randgebieten der Deutschen Bucht
wird stets für eine fast vollkommene Durchmischung infolge Turbulenz gesorgt. In den flacheren Gebieten der Kü
stenregion, zwischen 0 und 10 m Tiefe, herrscht auch im Sommer Homothermie vor. Nur in den großen Flußmün
dungen tritt auf Grund der Dichteverteilung Temperaturschichtung auf. Die Konvergenzzone, in welcher schwä
chere Gezeitenströme periodisch wechseln, ist in den Frühsommermonaten durch ausgesprochen starke
Temperaturschichtung charakteristisch. Ist der Höhepunkt der thermischen Schichtung im Sommer (August) über
schritten, setzt im inneren Teil der Deutschen Bucht bereits die herbstliche Abkühlung ein. Die Schichtung geht in
ihrer vertikalen Stärke zunehmend zurück, bis im Winter fast in der ganzen Deutschen Bucht Homothermie vor
herrscht. Der Einfluß meteorologischer Faktoren und anomaler Abfluß des Küstenwassers in die Bucht können die
vertikalen Temperaturverhältnisse zu jeder Jahreszeit stark modifizieren.