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A. Einleitung:
I. Bisherige Kenntnisse über den hydrographischen Aufbau der Deutschen Bucht in bezug auf Tempera
tur, Salzgehalt und Dichte.
Die Ergebnisse der Erforschung der hydrographischen Verhältnisse der Deutschen Bucht hinsichtlich Tempe
ratur, Salzgehalt und Dichte sind uns auf zwei Wegen (durch zwei Bearbeitungsmethoden) zugänglich gemacht
worden. Der hydrographische Aufbau der Deutschen Bucht steht in innigem Zusammenhang mit demjenigen der
gesamten Nordsee. Mit der zunehmenden Erforschung der gesamten Nordsee ging die Vertiefung der Erkenntnisse
über die hydrographischen Verhältnisse der Deutschen Bucht parallel. Dieser Weg wurde dadurch gewonnen,
indem die verschiedenen Meeresforscher oder Meeresforschungsinstitute während der letzten 50 Jahre hydrogra
phische Übersichtskarten und Diagramme (Vertikalschnitte) insbesondere mit der mittleren Temperatur-, Salzge
halts- und Dichteverteilung in den verschiedenen Wasserschichten der Nordsee vorgelegt haben. Die besonderen
Verhältnisse in der südöstlichen Nordsee, also der Deutschen Bucht, konnten aus diesen Übersichten abgelesen
werden. In Tabelle 1 sind in kurzen Umrissen alle diejenigen hydrographischen Bearbeitungen von Temperatur
und Salzgehalt zusammengefaßt worden, welche die Erforschung der Hydrographie der gesamten Nordsee betref
fen. Diese Übersichtskarten der mittleren Verhältnisse in den einzelnen Monaten gehen auf langjährige Beobach
tungsreihen zurück, welche als Grundlage die Beobachtungen der Terminstationen haben oder die Einzelbeobach
tungen innerhalb eines bestimmten 1°-Feldes zusammenfassen.
Der andere Forschungsweg war so angelegt, daß man von vornherein die Deutsche Bucht als besonderes Mee
resgebiet der gesamten Nordsee herausstellte und ihre eigenartigen hydrographischen Verhältnisse daher beson
ders untersuchte. Neben der Darstellung der mittleren Verhältnisse von Temperatur und Salzgehalt wurden Unter
suchungen darüber angestellt, in welchem Maße die Einzelbeobachtungen z. B. der Feuerschiffe oder der
hydrographischen Forschungsfahrten (POSEIDON) von dem berechneten mittleren Zustand der Temperatur- u.
Salzgehalts-Verhältnisse zeitlich und örtlich abwichen. Der sogenannte mittlere Zustand ist ein fiktives Bild und
wird in der Natur niemals beobachtet werden. Dagegen sind regionale Übersichtskarten, aus Einzelbeobachtungen
von Temperatur und Salzgehalt auf Forschungsfahrten gewonnen, hydrographische Momentanbilder für einen be
stimmten kurzen Zeitabschnitt. Beide Darstellungen für sich betrachtet haben aber nur untergeordneten Wert. Be
zieht man aber die Momentanbilder auf den mittleren Zustand, so wird man, physikalisch gesehen, den Ansatz fin
den, um näher hinter die meeresphysikalischen und -chemischen Zusammenhänge in der Deutschen Bucht zu
kommen.
In der Tabelle 2 sind alle bisherigen Temperatur- und Salzgehaltsbearbeitungen zusammengefaßt, welche sich
speziell mit der Erforschung der Hydrographie der Deutschen Bucht befassen.
Die mehrfach von Zorell und vom Verfasser gesammelten hydrographischen Erfahrungen über den horizon
talen und vertikalen Aufbau der Deutschen Bucht haben immer wieder gezeigt, daß das Meeresgebiet der südöst
lichen Nordsee von zwei spezifisch verschieden schweren Wasserkörpern aufgebaut wird: einerseits von dem mit
größerer Dichte ausgezeichneten, also spezifisch schwereren, westlichen Nordseewasser und andererseits von dem
mit geringerer Dichte ausgezeichneten, also spezifisch leichteren, östlichen Küstenwasser (siehe die bisher gewon
nenen hydrographischen Erkenntnisse darüber unter (25) und (27)). Durch den ständigen, mehr oder weniger star
ken Einstrom des Nordseewassers aus westlicher und nordwestlicher Richtung in die Deutsche Bucht und den jah
reszeitlich bedingten wechselvollen Abfluß des Küstenwassers, besonders aus den großen Flußmündungstrichtem
von Ems, Weser und Elbe, in entgegengesetzter Richtung schieben sich diese beiden Wasserkörper auf Grund ihrer
verschiedenen spezifischen Dichte übereinander; der leichtere oben, der schwerere unten. Durch das Übereinan
derströmen versuchen sie sich im Gleichgewicht zu halten. Dabei bilden sie in der Vermischungszone ein Gebiet
mit auffallend starken Dichtegradienten und in der Tiefe eine Dichtesprungschicht heraus, welche sich je nach der
Jahreszeit und der sich ändernden Wetterlage in ihrer regionalen und vertikalen Ausdehnung verändern. Diese bei
den Wasserkörper bilden also eine Diskontinuitätsfläche heraus, welche im großen und ganzen gesehen zugleich
ihre Gleichgewichtsfläche ist. Trotz Turbulenz, Austausch und Vermischung bleibt diese Grenzfläche zwischen
den beiden Wasserkörpern, örtlich verschieden stark ausgeprägt, das ganze Jahr über erhalten, da durch ununter
brochene, mehr oder weniger starke Nährung aus den beiden Aktionszentren der südöstlichen Nordsee neue Was
sermassen der charakteristischen Art herangeführt werden.