d.4 Sediment- und Schwebstoffproben
Das Sediment ist eine wesentliche Senke für den Verbleib von in das
Meer eingetragenen Radionukliden. Je nach chemischen Eigenschaften
der radioaktiven Elemente und je nach Schwebstoffbeschaffenheit
reichern sich die entsprechenden radioaktiven Nuklide nach Sedimen-
tation am Meeresboden an. Für eine Reihe von Nukliden bedeutet diese
Anreicherung einen weitgehend irreversiblen Prozeß, durch den die
Radioaktivität der Wassersäule "ausgekämmt"” und in der Meeresboden-
Oberfläche konzentriert wird. Dies trifft beispielsweise für Ag
110m, Zr 95/Nb 95, Mn 54, Co 60 und die Transurane, aber auch für
die natürlichen Isotope wie z.B. Pb 210/Po 210 und Th 234 zu. Für
die benthischen Organismen stellt diese Nuklidanreicherung die
Hauptquelle zur Aufnahme von Radionukliden dar, die auf diesem Weg
den wesentlichen Eingang in die Nahrungskette und damit in den
Strahlenbelastungspfad des Meeres finden.
Neben der Untersuchung des Verbleibs von Radionukliden im Meer kann
der Fallout von Tschernobyl zum Studium von meeresgeologischen und
sedimentbiologischen Vorgängen benutzt werden. Er hinterläßt in den
Sedimenten von Nord- und Ostsee ein deutliches Signal, welches sich
in den nächsten Jahren für Datierungszwecke heranziehen läßt. Die
Falloutuntersuchungen lassen sich auch zum Studium von Bioturba-
tionsprozessen in der Sedimentoberfläche heranziehen. Die dabei zu
gewinnenden Erkenntnisse sind auf andere Schadstoffe übertragbar, so
daß daraus allgemein gültige ökologische Aussagen gemacht werden
können. Die Untersuchung von Sedimenten und Schwebstoffen wird daher
in Zukunft verstärkt durchgeführt werden.
Analysenergebnisse der Sedimentoberfläche eines am 8. August entnom-
nenen Sedimentes aus der Nordsee im Schlickfallgebiet nordöstlich
von Feuerschiff "Elbe 1" weisen auf die zu diesem Zeitpunkt erfolgte
Kontamination hin. Die spezifische Aktivität von Cs 137, Cs 134, Ru
106, Ag 1lO0m ist signifikant erhöht. Dagegen ist die Aktivität der
Nuklide Co 60 und Sb 125 in der Probe weitgehend unverändert. Die
Kontamination der Probe mit Cs 137 hat sich z.B. in der Oberflä-
chenschicht von 1 cm Dicke von 13,7 Bq/kg im Januar 1986 auf 50,2
Bqa/kg im August erhöht (siehe Tab. 7). Cs 134 war im Januar nicht
nachweisbar. Im August enthielt die Probe dagegen eine spezifische
Aktivität von 18,6 Ba/kg an Cs 134.
In einer im August im gleichen Seegebiet entnommenen Schwebstoff-
probe findet sich die gleiche Nuklidzusammensetzung wie in der
Sedimentoberflächenprobe (Tab. 7 und 8). Die spezifische Aktivität
der Schwebstoffprobe ist jedoch für die meisten Nuklide etwa doppelt
so hoch wie bei der Sedimentprobe (Cs 137, Cs 134, Ru 103, Ru 106,
Ag 110m). Dagegen unterscheiden sich die spezifischen Aktivitäten
der bei dem Reaktorunfall nicht freigesetzten Nuklide Co 60 und Sb
125 nur etwa um den Faktor 1,5 bzw. 1,4. Die Aktivitäten der natür-
lichen Nuklide unterscheiden sich nur unerheblich (in der Tab. 7
nicht angegeben). Damit ist der Schluß zulässig, daß durch Durchmi-
schung der oberen Sedimentschicht im Sediment bereits eine "Verdün-
nung" der von Tschernobyl freigesetzten Nuklide stattgefunden hat
(z.B. durch Bioturbation).