Die Norddeutsche Seewarte 1868 — 1874
Bereits im Jahre 1864 hatte der soeben nach längerer erfolg-
reicher Tätigkeit in Australien zurückgekehrte Erdmagnetiker
und Nautiker Dr. Georg Neumayer in Gesprächen mit füh-
renden Politikern und durch öffentliche Vorträge dafür ge-
worben, ein nautisch-meteorologisch-hydrographisches In-
stitut für die Nordküsten Deutschlands zu errichten. Auf der
„Ersten Versammlung deutscher Meister und Freunde der
Erdkunde”, zu der das Freie Deutsche Hochstift die Geo-
graphen, Reeder und Seefahrer auf den 23. Juni 1865 ins
Goethehaus nach Frankfurt eingeladen hatte, wiederholte er
seine Überzeugung, daß nicht nur ein solches Institut not
täte, sondern daß es überhaupt für das Gedeihen und An-
sehen der Nation unerläßlich sei, die wissenschaftliche
Tätigkeit auf den maritimen Bereich zu lenken.
Solche Gedanken waren nicht neu. Bereits 1841 hatte der
Leutnant der amerikanischen Marine, Matthew Fontaine
Maury, damit begonnen, die Naturbeobachtungen in den
Schiffstagebüchern statistisch auszuwerten und neue Beob-
achtungen planmäßig sammeln zu lassen. Er hatte seine Er-
gebnisse ab 1845 in Gestalt von Wind- und Strömungskarten
der Ozeane herausgebracht und auf dieser Erfahrungsgrund-
lage Seerouten empfohlen, die die bisherigen Fahrtdauern
erheblich verkürzten, Diese Erfolge strahlten in andere
Staaten aus; in den Niederlanden, in England und Frank-
reich entstanden ähnliche Zentralstellen. Die starken Span-
Aungen zwischen den deutschen Bundesstaaten ließen in-
dessen diesen Aufruf Neumayers zunächst ohne Wirkung
bleiben.
Zwar zog sich Neumayer zunächst verstimmt aus diesem
Projekt zurück, nachdem auch sein diesbezüglicher Antrag
an die Handelskammer und den Senat in Hamburg keinen
Erfolg gebracht hatte. Doch ein anderer Teilnehmer jenes
Frankfurter Geographentages verfolgte diese Pläne hart-
näckig weiter, Es war der Mathematiker und Naturwissen-
schaftler Wilhelm von Freeden, derzeit Rektor der Groß-
herzoglich Oldenburgischen Navigationsschule in Elsfleth,
dem es schließlich gelang, die Unterstützung der Handels-
kammern in Hamburg und Bremen sowie die Förderung
durch 28 deutsche Reedereien für eine private Gründung zu
gewinnen.
Im Dezember 1867 erschien eine „Anzeige beireffend ein
im allgemeinen Interesse der Seefahrt unter dem Namen
Norddeutsche Seewarte zu errichtendes nautisch-meteoro-
logisches Institut, das mit dem 1.Januar 1868 unter der Di-
rektion des Herrn W. von Freeden in Wirksamkeit treten
wird.“ Das zunächst ins Auge gefaßte praktische Ziel war
die Sicherung und Abkürzung der ozeanischen Seewege
durch Auswertung von zahlreichen Beobachtungen deutscher
Schiffsoffiziere über
ozeanische Strömungen und Winde,
Gezeiten,
Mißweisung des Kompasses und
meteorologische Erscheinungen.
Auch die Verbesserung der nautischen Instrumente an Bord
sowie ihre Prüfung durch Vergleich mit Normalinstrumenten
wurden in den Aufgabenbereich des Instituts einbezogen.
Das Ergebnis dieser Auswertungen waren die von v. Free-