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I. Einleitung
Mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht Anfang Mai 1945 kam auch
der gesamte Hydrographische Dienst zum Erliegen. Das Fehlen jeglicher hydro
graphischen Tätigkeit machte sich aber schon im Mai 1945 und weiterhin in
immer steigendem Maße bemerkbar. Die allgemeine Unsicherheit für die
Schiffahrt infolge starker Verminung der Küstengebiete, Fahrwasser und Hafen
einfahrten, die zahllosen, zum großen Teil nur ungenau bekannten Wracks,
der Ausfall der wichtigen „Nachrichten für Seefahrer" u. a. m. führten bereits
in den ersten Wochen nach der Kapitulation zu der Erkenntnis, daß der Hydro
graphische Dienst in irgendeiner Form weitergeführt werden müsse. Schon bei
der Übergabe der Vermessungsfahrzeuge an den englischen Bereichsoffizier der
Royal Navy hatte die Vermessungsabteilung den Befehl erhalten, mit ihren
Schiffen weiterhin im Dienst zu bleiben und für anfallende Arbeit bereitzu
stehen.
Bereits Ende Mai 1945 wurde die Vermessung des Hafens Kappeln gefordert,
weil größere Schiffe die Schlei und deren Häfen anliefen, und schon am
31. Mai 1945 — also 4 Wochen nach der Kapitulation — nahm die Vermeissungs-
abteilung ihre Tätigkeit wieder auf. Mit Hilfe britischer militärischer Dienst
stellen gelang die Rückführung der außerhalb des Reichs liegenden Peilboote.
So wurden die bei Kriegsende in Aafhus liegenden Peilboote „Jever",
„Japsand" und „Gelbsand" und die in Norwegen verbliebenen Peilboote
„Hooge" und „Rüden" nach Kiel zurückgeholt und wieder in den Verband
der Vermessungsabteilung eingereiht. Die Peilbote wurden bereits im Mai
1945 auf Anweisung britischer militärischer Dienststellen zu Lotarbeiten und
zur Wracksuche eingesetzt. Nautische Vermessungen und Wracksucharbeiten
wurden im Bereiche der Naval Officers in Charge (N. O. i. C.), Kiel, Flensburg,
Eckernförde, Travemünde und Wilhelmshaven sowie im Bereich des Resident
Officer (R. N. O.) „Die Schlei" durchgeführt.
Während des Krieges war es nicht möglich gewesen, die deutschen Küsten
gewässer in vollem Umfang und in regelmäßigen Zeitabständen auszuloten. Die
Seekarten konnten deshalb außerhalb der Fahrwasser noch nicht völlig auf den
neuesten Stand gebracht werden. Die notwendigen Kontrollen mußten sich
deshalb auf die inneren Fahrwasser und in beschränktem Umfange auf die
Ausgänge zur freien See von Elbe, Weser, Jade und Ems beschränken. Eine
möglichst schnelle und genaue Vermessung der deutschen Küstengewässer —
besonders in der Nordsee —, die ständig den fortschreitenden Minenräum
arbeiten angepaßt werden muß, ist sowohl für die Herausgabe neuer oder
berichtigter Seekarten, wie für die Sicherheit der Schiffahrt als auch im
besonderen für die Küstenfischerei, ein dringendes Bedürfnis.
Die Notwendigkeit eines Hydrographischen Dienstes für Deutschland wurde
auch von den Alliierten Mächten anerkannt. Die britische Admiralität ließ
sich von dem damaligen Chef des Hydrographischen Dienstes, der sich mit
dem größten Teil seiner Mitarbeiter auf der Insel Sylt befand, die notwendigen
Unterlagen über die Organisation und das Arbeiten des Hydrographischen
Dienstes, des Marine-Observatoriums sowie der Deutschen Seewarte und ihrer