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3.4.1. Nachbildung menschlicher Fähigkeiten
Die hervorstechende Grundanwendung von neuronalen Netzen ist die Nachbildung mensch
licher Fähigkeiten. Dazu gehört besonders die Fähigkeit zu sehen, zu hören, zu sprechen und
sich zu bewegen. Das Sehen ist die Fähigkeit, deren Imitation wahrscheinlich am meisten
versucht wird. Der Sprachgebrauch (Bild- und Mustererkennung) ist durch die menschliche
Sehfähigkeit sehr geprägt. Aber es ist auch eine akustische Mustererkennung möglich. Sie
geschieht z.B. bei der akustischen Qualitätskontrolle in der Produktionstechnik und Automati
sierung [Loos 92] im allgemeinen und z.B. bei der akustischen Qualitätskontrolle von
Dachziegeln [Odemer et al. 92] im besonderen. Außerdem werden akustische Muster bei der
Analyse von Geräuschen von Planetengetrieben [Krall et al. 91] und bei der Diagnose von
Kraftfahrzeug-Automatikgetrieben erkannt [Lutz et al. 92]. In allen Fällen wurden Backpropa-
gation-Netze angewandt, im letzten Fall noch ein anderes hier nicht vorgestelltes Netz. Im
Falle von Spracherkennung (Phonemklassifikation) werden z.B. Kohonen-Netze eingesetzt
[Behme 93], [Kohonen 88]. Auch werden sie für die Nachbildung der menschlichen Bewe
gungsfähigkeit genutzt, d.h. bei der Robotersteuerung [Martinetz et al. 90], [Ritter et al. 92].
Die nachgebildeten Fähigkeiten werden kombiniert, um z.B. ein Automobil automatisch zu
steuern [Caudill 91]. In diesem Fall wird wieder ein Backpropagation-Netz eingesetzt.
Außerdem werden neuronale Netze bei der Bewegungserkennung und der Spracherzeugung
verwendet [Deanna].
Nach diesen Anwendungen, bei denen der Bezug zur Nachbildung menschlicher Fähigkei
ten deutlich ist, werden weitere Anwendungen allgemein im technisch-wissenschaftlichen
Bereich beschrieben, die diesen Bezug nicht aufweisen. Zusätzlich werden Anwendungen
speziell im ozeanographisch/meteorologischen Bereich zitiert. Anschließend werden Anwen
dungen diskutiert, die die Vorhersage in beiden Bereichen betreffen. Dabei wird der Vorher
sagefehler der neuronalen Netze mit dem Fehler anderer Vorhersagemethoden (Kap.2.3)
qualitativ verglichen.
3.4.2. Allgemeine Anwendungen (ohne Vorhersage)
Im technisch-wissenschaftlichen Bereich werden neuronale Netze z.B. bei Prüfständen
eingesetzt. Backpropagation-Netze automatisieren z.B. das Gasgeben [Böller et al. 91].
Andere neuronale Algorithmen erkennen z.B. das Teststreckenmodell [Hrycej et al. 94].
Backpropagation-Netze helfen bei der Auswertung von LIDAR- (Fluoreszenz-) Messungen
[Envitec] und bei der Erkennung von Schiffsgeräuschen, die von einem passiven Sonarsensor
unter Wasser auf genommen wurden [Mast], In diesem Fall werden die Spektren durch die
Netze besser geschätzt als durch das Nearest-Neighbor-Verfahren. Neuronale Netze werden
zur Klassifikation unbekannter Spektren auch in der physikalischen Chemie angewandt:
Backpropagation-Netze in der Gas- und Flüssigkeitschromatographie [Schmitz et al. 90] und
Kohonen-Netze in der Interferometrie der Gas-Polymer-Wechselwirkung [Göppert et al. 92].
Backpropagation-Netze können allgemein Signale filtern (z.B. als Bandpaßfilter) [Bertsch et
al. 90] und speziell TRMC (Time Resolved Microwave Conductivity) Meßsignale zur
Qualitätskontrolle von Solarzellen klassifizieren [Haffer et al. 92]. Kohonen-Netze dienen
z.B. als Equalizer in Kommunikationssystemen zur Erkennung von dynamischen diskreten
Signalen [Kohonen et al. 91]. Backpropagation-Netze wiederum können auch zur Schätzung
von Objektfunktionen aus indirekten Messungen herangezogen werden, wenn das Meßsystem
durch eine Fredholm-Integralgleichung erster Art beschreibbar ist [Kulkarni 91].
Neuronale Netze gewinnen auch ihren Platz in der Statistik. Sie werden zur Parameter-