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zengleichungen diskretisiert werden. Das hat zur Folge, daß z.B. der gesamte Weltozean und
die gesamte Erdatmosphäre in eine Reihe von Quadern oder auch Rhomben zerlegt und
einem Gitterpunkt zugeordnet werden. D.h. jeder Gitterpunkt repräsentiert ein bestimmtes
geographisch abgegrenztes Stückchen des Systems Ozean/Atmosphäre. In einem Kohonen-
Netz sind die Neuronen ebenfalls in einem Gitter angeordnet. Allerdings ist es in diesem Fall
nicht mehr so, daß ein Neuron für ein bestimmtes Stückchen des Ozean/Atmosphäresystems
zuständig ist, sondern daß an jedem Neuron theoretisch das gesamte Ozean/Atmosphäresy
stem repräsentiert wird, nur von Neuron zu Neuron in jeweils anderen Systemzuständen.
So gesehen kann das Kohonen-Netz als eine Tabelle von verschiedenen Ozeanzuständen
aufgefaßt werden. In der vorliegenden Arbeit werden diese Ozeanzustände auf sehr einfache
Weise mittels eines feststehenden Zeitmusters dargestellt. Im Unterschied zu "normalen"
Tabellen ist die Zuordnung zwischen Tabelleneinträgen und Eingangswerten nicht von Beginn
an starr festgelegt, sondern sie wird durch eine adaptive Verteilung der Einträge über den
Raum der Muster möglichst optimal organisiert (Kap.3.6.2) [Ritter et al. 92]. In bezug auf die
erwähnten Zeitmuster entsprächen dann die Tabelleneinträge den Prognosemustern und die
Eingangswerte den Indikationsmustern. Aus dieser Tabelle kann das Indikationsmuster, das
der aktuellen Situation am ähnlichsten ist, herausgesucht und das entsprechende Prognosemu
ster als Vorhersage interpretiert werden. Wie das im einzelnen durchgeführt wird, ist in
Kap.3.6 eingehend beschrieben.
Als "normale" Tabelle kann das K-Nearest-Neighbor Verfahren angesehen werden, bei
dem die Zuordnung zwischen Tabelleneinträgen und Eingangswerten von Anfang an starr
festgelegt ist. Aufgrund dieser Tabellenstruktur eignet sich das Verfahren als Vergleich dafür,
wie gut die Kohonen-Netze die Einträge über den Musterraum adaptiv verteilen oder anders
formuliert, wie gut diese Art von Interpolation ist, die die Kohonen-Netze bei den Prognose
mustern durchführen [Ultsch, pers. Komm.].
Neuronale Netze werden durch einen im Vergleich zu den hydrodynamischen Gleichungen
recht einfachen Algorithmus beschrieben. Allerdings muß der Datenvorbereitung ein breiterer
Raum gewidmet werden (Kap.4). Die Datenvorbereitung oder auch "Codierung" der Daten
entscheidet über Erfolg und Mißerfolg der neuronalen Netze [Ultsch, pers. Komm.]. Zur
Datenvorbereitung gehört u.a. die Datenvorverarbeitung (Kap.4.2.4). Das Know-How zur
Datenvorverarbeitung wurde von Ultsch und seiner Arbeitsgruppe zur Verfügung gestellt und
an die Zwecke der vorliegenden Arbeit angepaßt. Analog zur Vorverarbeitung als Teil der
Datenvorbereitung ist auch eine Nachbearbeitung notwendig, in der die einzelnen Schritte der
Vorverarbeitung umgekehrt werden (Kap.4.2.4).
3.4. Anwendungen
Um einen Überblick über Anwendungen von neuronalen Netzen zu erhalten, sei auf das Buch
von Berns und Kolb hingewiesen. Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Informatiker
und Ingenieure, die für industrielle und kommerzielle Problemstellungen geeignete Lösungs
verfahren suchen und möglichst schnell abschätzen wollen, inwieweit neuronale Netze zur
Lösung geeignet erscheinen. Neben dem Anwender aus der Industrie kann dieses Buch auch
dem praxisorientierten Forscher empfohlen werden [Berns und Kolb 94]. In dem Buch ist
bereits zu erkennen, daß die Mehrheit der Anwendungen mit Hilfe von Backpropagation-
Netzen realisiert wird. Das ist auch der Grund, warum sie in Kap.3.3 erwähnt werden. Über
dieses Buch hinaus wird im folgenden eine Reihe von Quellen zitiert, die über weitere
Anwendungen von neuronalen Netzen berichten.