Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wird ein neues Verfahren für die Wasserstands Vorhersage vor
gestellt, das auf neuronalen Netzen basiert und im Rahmen einer Dissertation erstellt worden
ist. Ziel ist, die Vorhersage der Wasserstände an der Deutschen Nordseeküste in Standard
situationen zu verbessern. Wasserstände setzen sich aus Gezeiten und meteorologisch/-
ozeanographischen Einflüssen zusammen (besonders Wind und luftdruckbedingte Fernwel
len). Da die Gezeiten bereits sehr gut vorhersagbar sind, wurden ihre Vorausberechnungen
von den Wasserständen subtrahiert. Das Ergebnis der Subtraktion, der Stau wird mit dem
neuen Verfahren bis zu 18 Stunden im voraus vorhergesagt. Es wird unterschieden zwischen
der Vorhersage von stündlichen Werten und von Werten zu Hoch- und Niedrigwasser
zeitpunkten. Die Vorhersage wurde auf den Referenzort Cuxhaven konzentriert. Das neue
Verfahren wurde in seiner Vorhersagegenauigkeit mit zwei hydrodynamischen, einem statisti
schen und einem auf Analogie basierenden Verfahren (Nearest Neighbor), mit der Persistenz
annahme und mit den Vorhersagen des Wasserstandsvorhersagedienstes verglichen. Zum
Vergleich wurden Vorhersagen für das Jahr 1993 berechnet und mit Messungen verglichen.
Neuronale Netze sind lernfähige Verfahren, die nichtlineare Zusammenhänge auf induktive
Weise adaptieren und implizit darstellen. Mit der Anwendung der neuronalen Netze auf die
Wasserstandsvorhersage wurde versucht, aus der Vergangenheit zu lernen und zeitliche
Muster zu klassifizieren. Außerdem wurde versucht, die Erfahrung von Vorhersageexperten
zu objektivieren. Um die Funktionsweise des menschlichen Gehirns zu verstehen, wurde von
Neurologen, Psychologen und Informatikern mathematische Modelle entwickelt, die die
Neuronen des Gehirns und ihre Vernetzung untereinander simulieren. Statt des weitver
breiteten Backpropagation-Netzes wurde die selbstorganisierende Merkmalskarte nach
Kohonen verwendet (Kohonen-Netz). Grundprinzip dieses Netzes ist die Umsetzung von
Signalähnlichkeit in Lagenachbarschaft, verbunden mit der Erhaltung der Topologie des
Signalraums. Der Lernvorgang der Kohonen-Netze kann visualisiert werden. Für die Vorher
sage wurde es in eine Zustands- und eine Prognosebeschreibung aufgeteilt, die an auto- und
multiregressive statistische Verfahren angelehnt wurden. Ein ausgelerntes Kohonen-Netz kann
als eine adaptive Tabelle solcher Beschreibungen aufgefaßt werden.
Um die Kohonen-Netze nicht zu überladen, wurden die möglichst lückenlosen Zeitreihen
mit Hilfe zweier Selektionsverfahren auf einen anlernbaren Datensatz reduziert. Das Minimal
distanz-Verfahren aus der Clusteranalyse selektierte repräsentative zeitliche Muster. Das
neuentwickelte Verfahren der zirkularen Gruppenreduktion selektierte extreme Muster in
Ergänzung zum ersten Verfahren. Damit das Kohonen-Netz nichts "vergißt", wurden Netz
größe und Lerndauer in Abhängigkeit von der Anzahl Lernbeispiele gewählt. Zur Verbes
serung der Konvergenz wurde eine Kombination von Kriterien zum Abbruch des Lernver
fahrens entwickelt, das mit dem Vorgang der Selbstorganisation konform ist.
Die Kohonen-Netze wurden auf autoregressive Weise auch auf die Vorhersage von
meteorologischen Größen (besonders des Windes) angewandt. Dem Vergleich mit Prognosen
des Seewetteramts hielten sie jedoch nicht stand. Die Kohonen-Netze erwiesen sich als um
so genauer in der Vorhersage, je kleiner sie waren. Bei der Vorhersage des Staus zu Hoch
wasserzeitpunkten waren die Vorhersagen des Wasserstandsvorhersagedienstes verglichen nur
mit den restlichen Vergleichsmodellen die genauesten. Multiregressiv angewandte Kohonen-
Netze konnten sogar diese Vorhersagen mit 14 cm Fehler um 1 cm unterbieten.
Da sich die statistischen Eigenschaften der Messungen kurzfristig nicht wesentlich ändern,
wurden dem Wasserstandsvorhersagedienst Netze zur Verfügung gestellt, die schon ausgelernt
haben. Langfristig sollten die Netze wegen Elbvertiefungen und Klimaänderungen regelmäßig
mit zusätzlichen aktuellen Messungen neu angelernt werden.