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kommt dem Wasserstandsvorhersagedienst, der auf feste Vorhersagetermine fixiert ist, sehr
entgegen. Im Vergleich mit den hydrodynamischen Modellen sind die Kohonen-Netze in der
gewählten ausgelernten Form somit nicht nur genauer in der Vorhersage, sondern auch
weniger aufwendig und damit wesentlich effizienter. Allerdings ist der Lernvorgang selbst
mit Aufwand verbunden. Die Netze, die dem Dienst zur Verfügung gestellt wurden, wurden
mit Hilfe einer Workstation angelernt.
Neuronale Netze im allgemeinen und Kohonen-Netze im speziellen werden nur mit Daten,
d.h. mit Messungen getrieben, ohne daß dabei Formeln zur Beschreibung der ozeanogra-
phisch/meteorologischen Prozesse vorgegeben werden. Bei hydro- und aerodynamischen
Modellen, in denen dagegen Formeln vorgegeben werden, werden Daten prinzipiell nur für
die Startwerte der Integration benötigt. Da aber diese Formeln aufgrund ihrer numerischen
Implementation die Prozesse nur annähernd beschreiben können, sind die simulierten
Prozesse generell mit Unsicherheiten behaftet. Für Vorhersagezwecke ist es darum notwen
dig, daß Daten nicht nur für die Startwerte verwendet werden, sondern daß sie den gesamten
Vorgang der Integration begleiten. Während dieses Vorgangs findet eine Assimilation zwi
schen den Ausgaben der Formeln und den Daten statt. Solche Datenassimilationstechniken
sind z.B. adjungierte Verfahren, die sehr aufwendig sind und nur mit Hilfe von Supercompu
tern durchgeführt werden können. Verglichen mit solchen Verfahren erweisen sich die
Kohonen-Netze somit auch im Lernvorgang als weniger aufwendig.
Es w'urde gezeigt, daß diese Netze Wasserstände ohne Vorgabe von Formeln genauer
Vorhersagen können als all diejenigen Verfahren, die auf der Vorgabe von Formeln basieren.
Somit kann man sagen, daß die Netze in diesem Fall die ozeanographisch/meteorologischen
Prozesse implizit besser modellieren können als die hydrodynamischen und statistischen
Modelle explizit. Bei dem Vergleich der Genauigkeit der Kohonen-Netze mit der des statisti
schen Verfahrens des Gesamtansatzes wurde um des besten Vergleichs willen ein bestimmter
Datensatz bei beiden Verfahren gleich gewählt. Dieser Datensatz stimmte mit dem, der für
die optimalen Netze verwandt wurde, d.h. für die Netze, die dem Wasserstandsvorhersage
dienst zur Verfügung gestellt wurden, nicht überein. Somit bleibt die Frage offen, wie der
Vergleich ausgehen würde, wenn ein statistisches Modell auf Basis dieses Datensatzes
entwickelt werden würde. Allerdings müßte dabei zuerst die Frage beantwortet werden, wie
die nichtlinearen Terme solch eines statistischen Modells aussehen müßten.
Bei den hydro- und aerodynamischen Verfahren ist der Begriff "Dynamik" durch die
analytische Denkweise geprägt, die als Abgrenzung zur Verstehensweise der neuronalen
Netze auch als lokalistisch bezeichnet wurde. So wie die Kohonen-Netze angewandt wurden,
dürfen sie lokalistisch gesehen nicht mit "dynamisch," sondern müssen mit "statisch" bezeich
net werden. Folglich ist mit den Netzen in diesem Fall eine "Dynamikmusterklassifikation"
nicht möglich geworden. Ein wenig Dynamik steckt zwar indirekt in den Zeitversätzen der
einzelnen Indikationsgrößen. Doch diese Zeitversätze stecken auch in dem statistischen
Modell des Gesamtansatzes, wodurch dieses Modell noch lange nicht als dynamisch bezeich
net werden kann. Allerdings tritt bei den neuronalen Netzen im allgemeinen eine neue Form
von Dynamik auf. Diese Dynamik, die mit "neuronaler Dynamik" tituliert werden könnte,
kann verstanden werden, wenn nicht nur auf analytische, sondern auch auf eine solche Weise
gedacht wird, die als holistisch bezeichnet wurde.
Es wurde ein Modell eines Kohonen-Netzes vorgestellt, das auf einer Art dyadischem
Produkt von auto- und multiregressiven Zeitmustern basiert: Das Multi-Window-Modell.
Dieses Modell ist im wesentlichen das Resultat der analytischen Denkweise, die den hydro-
und aerodynamischen Modellen zugrunde liegt. D.h. es wurde versucht, durch eine Ab
deckung aller möglichen Größen innerhalb eines so groß wie möglich gewählten Zeitraums