Meereskunde
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In Abb. 12 ist der „Tschernobyl-Eintrag“ aus dem Verlauf der Isolinien des Cs-134-
Aktivitätsanteils zu identifizieren. Danach wurden die Deutsche Bucht und das
Gebiet vor der dänischen Westküste bis zum Skagerrak relativ stark betroffen.
Dies ist aber allein aus den Cs-137-Werten der Abbildung nicht ohne weiteres
ersichtlich, wird jedoch deutlich bei Berücksichtigung der hier sehr niedrigen
Vorbelastung, die in diesem Gebiet der des Vorjahres gleichen sollte (Folgerung
aus der Betrachtung der Isolinien und Überwachungsdaten aus der Zeit vor dem
Tschernobyl-Unfall). Im Mai 1985 wurden hier Aktivitätskonzentrationen von
Cs 137 zwischen 15 mBq/1 und 30 mBq/1 gemessen. Das heißt, daß die Cs-137-
Werte von Mai/Juni 1986 in diesem Gebiet durch den „Tschernobyl-Eintrag“ um
das Fünf- bis Zehnfache erhöht waren.
Die in Abb. 12 auffallende, relative Gleichmäßigkeit der Cs-137-Verteilung kam
durch die vor allem im westlichen Teil der Nordsee vorhandene Vorbelastung
zustande, die hauptsächlich noch aus der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield
stammte. Inzwischen ist der Auslaß dieser Anlage erheblich reduziert worden.
Durch seine gute Löslichkeit wird das Cäsium im Wasserkörper erhalten und
daher in wenigen Jahren mit den Meeresströmungen die Nordsee verlassen haben.
In der Ostsee sind die Verhältnisse ungünstiger. Wegen des geringen Wasseraustau
sches mit den angrenzenden Meeren ist die Ostsee besonders betroffen. Die in
dieses abgeschlossene Seegebiet gelangte Radioaktivität wird dort im wesentli
chen verbleiben. Aus diesem Grunde wurde für das Helsinki-Übereinkommen
unter internationaler Beteiligung im Oktober/November mit FS „Gauß“ der Ver
such einer Aufnahme des radioaktiven Inventars unternommen. Die bisher erhal
tenen Ergebnisse (Abb. 13) zeigen die höchsten Werte im Bereich der Aaland See
mit 800 mBq/1 Cs 137. Die Konzentration nahm in nördlicher Richtung ab und
erreichte im nördlichen Teil des Bottnischen Meerbusens einen erstaunlich niedri
gen Wert von nur 24 mBq/I Cs 137. Das Seegebiet südlich Öland einschließlich
Danziger Bucht bis zur Darßer Schwelle wies eine weitgehend konstant niedrige
Kontamination um etwa 35 mBq/1 auf. Erst in Richtung Westen stiegen die Werte
wieder etwas an.
Radioaktivität in Sediment und Schwebstoff:
In begrenztem Umfang wurden Sediment- und Schwebstoffproben gammaspektro-
metrisch untersucht. Signifikante Erhöhungen der spezifischen Aktivität konnten
in der Sedimentoberfläche (Schichtdicke 1 cm) für Ru 103, Ru 106, Ag 110m, Cs 134
und Cs 137 festgestellt werden. Diese Nuklide sind für den Tschernobyl-Fallout
charakteristisch. Dagegen ist die spezifische Aktivität von Co 60 und Sb 125, die
bei dem Reaktorunfall nicht freigesetzt wurden, unverändert geblieben. In
Schwebstoffen findet sich die gleiche Nuklidzusammensetzung wie in Sedimenten.
Ihre spezifische Aktivität hängt aber außer von der Aktivitätskonzentration des
Wasserkörpers auch von der Konzentration des suspendierten Materials im Was
ser ab.
Im Dezember wurde ein umfangreiches Programm zur Schwebstoff- und
Sedimentuntersuchung begonnen.
Strahlenexposition aus dem Meeresbereich:
Die Ermittlung der Strahlenbelastung erfolgte über die Expositonspfade: Schwim
men und Bootfahren, Aufenthalt am Strand oder auf tangbewachsenen Schiffen
und Inkorporation von Radionukliden über den Fischverzehr. Der Tangbewuchs
wurde wegen der starken Anreicherung von Jod- und Ruthenisotopen auch be
rücksichtigt. Zur Berechnung wurden die im Labor gemessenen Aktivitätsdaten
von Wasser-, Sand- und Schlickproben und die Daten von Tangproben (Bewuchs
an Feuerschiff „Elbe 1“) verwendet. Die daraus resultierende Jahresäquivalentdo
sis ergab einen Wert von 0,1 mSv (< 10 mrem).