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41. Jahresbericht Deutsches Hydrographisches Institut 1986
Abb. 11: Zeitlicher Verlauf der Aktivitätskonzentration von Cs '137
Noch vor dem Eintreffen der ersten Wasserproben nach dem Unfall konnte die
Zusammensetzung des Tschernobyl-Nuklidgemisches und dessen zeitliche Ände
rung durch gammaspektrometrische Aerosoluntersuchungen im Labor ermittelt
werden. Daraus ließ sich die Aktivität der Hauptbestandteile relativ zu der des
langlebigen Cs 137 ableiten, so daß in vielen Fällen die Analyse des Meerwassers
auf Cs 137 beschränkt werden konnte.
Die Transurane Pu 238, Pu 239/240, Am 242 und das sonst in Nord- und Ostsee
nicht nachweisbare Cm 242 traten in deutlich erhöhten Aktivitätskonzentrationen
auf, während die von Tritium und Sr 90 mit den vor dem Unfall gemessenen
Werten vergleichbar waren.
Großräumige radiologische Untersuchungen:
Die Verteilung der von Tschernobyl stammenden Kontamination könnte großräu
mig in Nord- und Ostsee erfaßt werden, indem Wasser- und in geringem Umfang
auch Sediment- und Schwebstoffproben von 11 Seereisen untersucht wurden.
Einen ersten großräumigen Überblick über die radiologischen Verhältnisse im
Oberflächenwasser von Nord- und Ostsee ergab die kontinuierliche Registrierung
der Brutto-Gammastrahlung, die das Überwachungsgerät auf FS „Gauß“ während
der ersten 1 Vz Monate nach dem Unfall aufzeichnete.
Eine genauere Aussage über die Verteilung des Tschernobyl-Fallouts war nur über
radiochemische, nuklidspeziiisehe Bestimmungen zu erhalten. Als Leitisotope eig
neten sich hierfür ideal die Cäsiumisotope 134 und 137, die in einem Aktivitätsver
hältnis von etwa 1 : 2 freigesetzt wurden. Eine Unterscheidung zwischen dem
„Tschernobyl-Eintrag“ und der vorher in der Nordsee bereits vorhandenen Bela
stung mit Radiocäsium ist mit Hilfe des Cs-134-Anteils möglich. Dieser betrug in
der Nordsee vor dem Unfall etwa 10% des Cs-137-Gehalts.