METEOR war gastfrei gegenüber ausländischen Wissenschaftlern, die mit eigenem
Forschungsprogramm oder zur Mitarbeit und Weiterbildung an Bord kamen.
Die Teilnahme an METEOR-Expeditionen war stets gratis. Die Wissenschaftler
mußten „nur“ einen guten Expeditionsplan entwickeln, der den um Expeditionstage
feilschenden Kollegen in der Senatskommission für Ozeanographie und der Kritik der
DFG-Gutachter standhalten konnte. War der Plan bewilligt, so war die Durchführung
der Expedition und auch die Auswertung der Ergebnisse bis hin zur Veröffentlichung
finanziell gesichert. Um dieses Förderungssystem der DFG beneiden uns viele ausländi-
sche Kollegen, die vielfach sogar die Schiffskosten einzeln beantragen müssen.
Was ist wissenschaftlich unter diesen günstigen Bedingungen mit METEOR erarbei-
tet worden? Kein großer Meeresstrom, nicht einmal eine Insel wurde entdeckt — das war
auch gar nicht mehr möglich. Es wurde auch keine Latimeria oder ein anderes zoologi-
sches Unikum gefangen. Wenn uns die Presse bei der Heimkehr des Schiffes nach den
Ergebnissen befragte, hätten wir schlicht sagen sollen: „Wir haben Hypothesen geprüft
und unser Wissen über das Weltmeer, die Atmosphäre darüber und den Meeresboden
darunter erweitert“. Da das aber keinen Journalisten beeindruckt hätte, fiel uns zum
Glück meist etwas Publikumswirksames ein: Die heißen Löcher im Roten Meer, die
Struktur des Island-Grönland-Rückens, die Ausbreitung der Caesium-Isotope von der
Irischen See bis nach Spitzbergen und Ostgrönland, die Entstehung tropischer Gewitter,
das Liebesleben des Krill, die Verwirbelung des Golfstroms und die Besiedlung des
Meeresbodens in Nachbarschaft radioaktiver Müllfässer. Die Luftchemiker konnten über
die Störungen ihrer Messungen durch den After-shave-Spray an Bord klagen, während
die Biologen vom Tanz der Delphine im nordwestafrikanischen Auftriebsgebiet schwärm-
ten. Die Begeisterung über einen 12 m. langen Schwerelot-Kern blieb dagegen meist
ebenso unerwähnt wie die Frustration über den Zusammenbruch der Tiefsee-Winde oder
den Verlust von Strommesserketten, deren stundenlange Suche eine besondere Heraus-
forderung für die Schiffsführung war.
Trotz der neuen Technologien der ozeanographischen Fernerkundung und trotz der
wachsenden Bedeutung der numerischen Modelle der theoretischen Ozeanographie war
METEOR 21 Jahre lang das Rückgrat der deutschen Hochseeforschung — zumindest
was die Grundlagenforschung der Biologen, Geologen, Chemiker, Meteorologen und
Ozeanographen betrifft. Neue Schiffe sind hinzugekommen, die die Arbeiten der ME-
TEOR räumlich oder auf speziellen Forschungsgebieten ergänzen. Ersetzen kann man
die heutige METEOR nur durch eine neue „Meteor“. Sie muß technisch moderner als
die jetzige werden; ein besseres Forschungsschiff — was den Geist und das Konzept der
Arbeiten betrifft — kann sie kaum werden. Ich war mehr als zwei Jahre meines Lebens an
Bord der METEOR und habe dies immer als Privileg empfunden.
Gotthilf Hempel
Meeresgeologie
An die deutsche Vorkriegstradition geologischer Untersuchungen in den Ozeanen,
die mit Forschern wie C. W. Correns, O. Pratje und W. Schott verbunden bleibt, konnte
erst mit der Indienststellung der neuen METEOR im Jahre 1964 wieder angeknüpft
werden. In den Nachkriegsjahren davor galt es, die Arbeit mit dem Schiff personell,
aufgaben- und gerätemäßig vorzubereiten. Die deutsche Meeresgeologie hatte sich im
wesentlichen auf den Küstenbereich in Nord- und Ostsee zurückgezogen, was auch durch
die DFG-Schwerpunkte „Sedimentforschung“ zum Teil, „Litoralforschung (Abwässer)“
zum Teil, und „Sandbewegung im Küstenraum“ unterstützt worden war. Die einschlägi-
gen Erfahrungen der Arbeitsgruppen vor allem in Göttingen, Hamburg (DHI), Kiel und
Wilhelmshaven konnten so auch für die METEOR genutzt werden.
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