125 Jahre amtliche deutsche Hydrographie —
125 Jahre Dienst des Staates für die Schiffahrt
Prof. Dr.-Ing. Werner Bettac
Die Bedeutung der deutschen Schiffahrt für Handel und Industrie, für die
Volkswirtschaft und damit für das Wohl unseres Landes ist nicht nur an der Küste
wohl bekannt.
Eine der Voraussetzungen für eine erfolgreiche und vor allem sichere Schiffahrt
sind die Unterlagen, die ihr die Hydrographie zur Verfügung stellt: In erster Linie
Seekarten und Seebücher, wie Seehandbuch, Leuchtfeuerverzeichnis und andere
Textveröffentlichungen, sowie die wöchentlich erscheinenden Nachrichten für See-
fahrer (NfS), die den Benutzern die in den Seegebieten eingetretenen Veränderungen
mitteilen. Die Kenntnis um diese Karten und Bücher und das Wissen um ihre
Notwendigkeit und Nützlichkeit sind nicht in gleicher Weise Allgemeingut wie der
Begriff Schiffahrt selbst. Nur Eingeweihte wissen, daß das Deutsche Hydrographi-
sche Institut in Hamburg diese unentbehrlichen Hilfsmittel für die Navigation erar-
beitet und zur Verfügung stellt.
Seekarten oder Beschreibungen der zu segelnden Routen sind die ältesten Hilfs-
mittel der Seefahrt. Erstmalig werden Seekarten im Jahre 1270 im Mittelmeerraum
erwähnt. Sie sind aus Segelanweisungen entstanden, die etwa mit den heutigen
Seehandbüchern zu vergleichen sind. Im nördlichen Europa veröffentlichten im
16. Jahrhundert private niederländische Verlage Seekarten und -bücher. Im 17. Jahr-
hundert übernahm Schweden diese Führungsrolle. Schon 1643 wurde der Vorgänger
des jetzigen schwedischen Hydrographischen Dienstes gegründet. Schweden besitzt
damit den Hydrographischen Dienst, der auf die längste Geschichte zurückblicken
kann. Es folgten die Hydrographischen Dienste von Frankreich (1720), Dänemark
(1784), Großbritannien (1795).
Den alten Karten und Büchern lagen meist keine genauen Vermessungen zu-
grunde. Sie stützten sich auf mehr oder weniger grobe Schätzungen und Erfahrungen
und gaben zum Teil nur Kenntnisse weiter, die vom. Hörensagen bekannt waren.
Im 18. Jahrhundert erlaubten die Erfindung oder Verbesserung von Meßinstru-
menten und die Erarbeitung von neuen wissenschaftlichen Grundlagen eine genauere
Vermessung. Diese betraf zwar zuerst nur das Landgebiet, schaffte jedoch damit
auch die Voraussetzung für eine genauere Seevermessung. Es waren staatliche Stel-
len, die die Landvermessung ausführten, und auch staatliche Stellen, nämlich die
nationalen Marinen, die Seevermessung betrieben. Damit ging die Herausgabe von
Seekarten und -büchern allgemein in staatliche Hände über.. Nach den oben bereits
genannten gründeten im vorigen Jahrhundert weitere Staaten Hydrographische Dien-
ste: Spanien (1800), USA (1807 bzw. 1830), Rußland (1827), Portugal (1849), Belgien
(1860), Japan (1871), Italien (1872), die Niederlande (1874), Chile (1874), Brasilien
(1876), Argentinien (1879). In diese Aufzählung ist auch Preußen einzuordnen.