Der Stich der Seekarte wurde mit dem Kartennetz und dem Grundriß begonnen.
Um eine Linie zu stechen, wurde mit einem Stichel ein Span aus der Kupferplatte
herausgehoben, der am Ende der Linie mit einem Schaber abgeschnitten wurde. Da
am Beginn der Linie der Stichel noch nicht auf die volle Tiefe der zu stechenden
Linie geführt werden konnte, sondern erst allmählich in die Platte hineinglitt, war
zum Beginn der Linie noch ein Rückstich notwendig. Der Stich auf der Platte wurde
seitenverkehrt ausgeführt, damit auf dem Papierabzug ein seitenrichtiges Bild ent-
stand.
Nach dem Stich des Grundrisses bzw. der Situation wurde die Schrift der Karte
gestochen. Dazu zog sich der Stecher zunächst Schrift- oder Lagelinien, die nach
Ausführung der Schrift wieder abpoliert wurden. Nach dem Ziehen der Lagelinien
wurde Wort für Wort mit einer Nadel fein vorgeritzt. Eine einwandfreie Strichquali-
tät, die besonders beim Schriftstich notwendig war, konnte der Stecher nur mit dem
sog. Stammstichel erzielen, indem er mit seiner rechten Hand den Stichel von rechts
nach links führte. Auch hier war der Rückstich notwendig, Die Platte wurde mit ihrer
linken Seite zum Stecher liegend gedreht, damit nun zunächst alle senkrechten
Stämme der gesamten Kartenbeschriftung von rechts nach links mit den unterschied-
lich breiten Stammsticheln gestochen werden konnten. Nach der nächsten Drehung
wurden alle waagerechten Haarlinien der Schrift gestochen und bei den beiden
nächsten Drehungen die jeweiligen Rückstiche und die Rundungen von Buchstaben.
Für die immer wiederkehrenden Symbole und Tiefenzahlen der Seekarte wurden
nach und nach im Seekartenwerk geeignete Stahlstempel entwickelt. Der mühevolle
Handstich dieser Kartenelemente wurde dadurch wirtschaftlicher ausgeführt. Mit
einem Hämmerchen wurden die Symbole in die Kupferplatte eingetrieben, wobei an
ihren Rändern kleine Grate entstanden. Diese Grate wurden später mit Holzkohle
abgeschliffen. Nicht jeder Stecher war dafür geeignet, die schwierigen Geländedar-
stellungen und Schriften in guter Qualität zu stechen. Daher wurden oftmals nach
dem Stich der Situation solche Kartenelemente an die besten Kartokupferstecher
vergeben. Gerade vor dem Ende des 19. Jahrhunderts war man besonders bemüht,
durch einen sorgfältigen Stich die Qualität der englischen Karten zu übertreffen. Zur
Verbesserung und Vereinfachung der Stichtechnik wurden das Handroulette und das
Maschinenroulette eingeführt. Punktierte Tiefenlinien und Gefahrengrenzen wurden
auf der Platte durch das Abrollen eines mit kleinen Zähnen versehenen Rädchens
gestochen. Bei punktierten Flächen (Landton) wurde ein solches Roulette mit Hilfe
eines Tisches, auf dem sich eine Justiereinrichtung befand, automatisch Punktlinie
für Punktlinie und im gleichen Abstand voneinander abgerollt.
Fortführung der Platten
Die zu korrigierende Stelle wurde mit einem Tastzirkel auf der Rückseite der
Platte markiert. Von der Rückseite wurde dann mit einem Stahlpunzen und einem
Hämmerchen eine kleine Erhebung zur Vorderseite getrieben. Der ehemalige Stich
auf dieser Delle wurde abgeschabt und poliert, so daß hier nun wieder ein neuer Stich
erfolgen konnte. Je mehr Korrekturen in dieser Klopftechnik ausgeführt wurden.
desto größer war die Gefahr, daß die Platte sich bald verspannte oder sogar Wölbun-
gen auftraten. Durch die Einführung der galvanischen Lagerung der Korrekturstellen
bestand die Möglichkeit, die Platte unbegrenzt oft korrigieren zu können. Dabei
wurde die gesamte Platte, außer an den zu korrigierenden Stellen, zur Isolation
gegen den elektrischen Strom mit Asphaltlack abgedeckt. In einem galvanischen Bad
aus Kupfervitriol und Schwefelsäure wurde durch elektrischen Strom und Wanderung
der lonen an den Korrekturstellen Kupfer niedergeschlagen.
Nach Entfernung der Isolierschicht wurde das angewachsene Kupfer plange-
schabt und die Korrektur gestochen. Dieses galvanoplastische Verfahren wurde im
Seekartenwerk seit 1902 angewandt.