Der historischen Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß nach dem Ersten Welt-
krieg eine Abgabe des Seehandbuchwerks, der Nachrichten für Seefahrer und des
Leuchtfeuerverzeichnisses von der damaligen Nautischen Abteilung der Marine-
leitung an die seinerzeit dem Reichsverkehrsministerium unterstehende Deutsche
Seewarte geplant war. Dieser Plan ist zwar letzten Endes nicht zur Ausführung
gelangt, es wurden jedoch vom Reichsverkehrsministerium im Jahre 1920 das Hand-
buch für die West- und Nordküste Norwegens, II. Teil, und 1921 die Reihe „Ver-
zeichnis der Leuchtfeuer und Signalstellen aller Meere“ herausgegeben. In diesem
Zusammenhang ist das besondere persönliche Engagement des Admiralitätsrats Ge-
org Wislicenus zu erwähnen. Wislicenus, der 1903 mit der Abteilung V der Deutschen
Seewarte nach Berlin gekommen war, wandte sich auf dem Deutschen Schiffahrtstag
1920 in einer viel beachteten Flugblattaktion vehement gegen die geplante Verlegung
des Seehandbuchwerks, die eine unzweckmäßige örtliche Trennung von dem See-
kartenwerk bedeutet hätte.
Die schwierigen politischen und finanziellen Verhältnisse in Deutschland wäh-
rend der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg wirkten sich auch nachteilig auf die Arbeit
im nautisch-hydrographischen Bereich aus. Nach mühevollen Vorarbeiten und der
Überwindung personeller Engpässe gelang es dann 1930, die Erneuerung und den
Ausbau des Seehandbuchwerks nach einem festen Plan sicherzustellen. Offensicht-
lich geriet man jedoch bei der Verwirklichung in Zeitnot, denn es mußte nun von
dem früheren Grundsatz abgewichen werden, die Seehandbücher nach einer eigenen
Konzeption weiterzuentwickeln: Etliche der in dieser Zeit neu herausgegebenen
Bücher waren in großen Teilen fast reine Übersetzungen der entsprechenden briti-
schen Publikationen. Immerhin wurde aber das Seehandbuchwerk in etwa zehn
Jahren in wesentlichen Bestandteilen erneuert und bis 1939 auf insgesamt 51 Bände
erweitert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gestattete der Alliierte Konrollrat zunächst nur
die Fortführung der beiden Seehandbücher für die deutsche Küste. Erst ab 1950
konnten beim DHI wieder außerheimische Gewässer bearbeitet werden, wobei man
sich in den ersten Jahren auf den unveränderten Nachdruck bestehender Bücher und
ihre Aktualisierung durch Nachträge beschränken mußte. Als die Erneuerung der
Handbücher des europäischen Raums (ohne Mittelmeer) 1964 mit der 4. Auflage des
Handbuchs der europäischen Nordküste der Sowjetunion abgeschlossen wurde,
brachte das „Verkehrsblatt“ vom 15. Juli 1964 eine Notiz, die nachfolgend auszugs-
weise wiedergegeben wird, da sie die Bedeutung der Seehandbücher treffend kenn-
zeichnet:
„In der Reihe der Seehandbücher des Deutschen Hydrographischen
[nstituts nimmt die oben angekündigte Ausgabe einen besonderen
Platz ein: Mit ihr ist die nach dem Kriege begonnene Neubearbei-
tung der geschlossenen Reihe der Seehandbücher für den europäi-
schen Raum wieder komplett, fast ein Jubiläumsband also; aber
nicht nur deswegen wert, ihn etwas eingehender zu würdigen. Nicht
nur das Seehandbuchwerk als solches hat eine beachtliche Tradi-
tion, auch jedes der einzelnen Bücher kann mit einer großen
Summe von Erfahrungen früherer Auflagen aufwarten. Diese stän-
dig fortzuentwickeln und anhand allen verfügbaren Materials zu
ergänzen, hat sich das Seehandbuchwerk zur Aufgabe gesetzt. Da-
bei gilt die Arbeit nicht nur dem nautischen Detail, sondern Zu-
schnitt und generelle Zielsetzung folgen den Bedürfnissen der
Schiffahrt... *
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