Seevermessung
Dipl.-Ing. Albert Berger und Dipl.-Ing. Heike Moehl
Die Entwicklung im 19. Jahrhundert bis zum Jahre 1861
Angesichts der politischen Zerrissenheit des deutschen Raumes kam es an unse-
ten Küsten erst verhältnismäßig spät zu selbständigen hydrographischen Aufnahmen,
während sich bis dahin Nachbarländer z. T. sehr intensiv um die Hydrographie des
südlichen Nord- und Ostseeraumes bemüht, ja zeitweilig — wie die Niederlande.
Dänemark und Schweden — hier eine herausragende Stellung eingenommen hatten,
Die Beibehaltung veralteter Methoden der hydrographischen Aufnahme der
Küstengewässer und ihrer kartographischen Darstellung dürfte vor allem auf zwei
Gründe zurückzuführen gewesen sein: einmal fehlten in Norddeutschland weitgehend
die technischen Voraussetzungen für eine nach modernen Grundsätzen durchge-
führte trigonometrische Vermessung aller Küstenländer. Andererseits waren die
traditionsgebundenen Seeleute nur schwer zu bewegen, mit neuen, nach wissen-
schaftlichen Methoden entwickelten Seekarten zu navigieren, zu deren Anwendung
ihnen die Einweisung fehlte; denn mit Ausnahme Hamburgs waren erst zum Ende
des 18. Jahrhunderts einige wenige Seefahrtschulen, die sie mit modernen Erforder-
nissen der Hydrographie und Nautik vertraut machten, ins Leben gerufen worden.
Eine kurzlebige Blüte erfuhr die Hydrographie im norddeutschen Raum zur Zeit
Napoleons I. Seinen militärstrategischen und wirtschaftspolitischen Plänen dienten
vorbildliche Seekarten, die unter der Leitung eines der bedeutendsten Hydrographen
Europas, C. F. Beautemps-Beaupre, zwischen 1810 und 1812 aufgenommen wurden.
Beautemps-Beaupre ging nach den in der französischen Marine seit langem bewähr-
ten und von ihm selbst weiterentwickelten Arbeitsmethoden vor. Zunächst ver-
schaffte er sich sichere geodätische Grundlagen durch astronomische Ortsbestimmun-
gen und Unterlagen von bereits vorhandenen Dreiecksketten, die von dem französi-
schen Ingenieur-Offizier Epailly — von Süden kommend — und von dem niederländi-
schen General Krayenhoff — von Westen kommend — gemessen und berechnet
worden waren. Die hydrographischen Arbeiten führte er mit Schaluppen und Booten
unter Verwendung von Spiegelsextanten, Schnurloten, Peilstangen und Uhren durch.
Zur Bestimmung des Seekartennulls ließ er an verschiedenen Punkten der südlichen
Nordseeküste in den Jahren 1811 bis 1813 über Monate hin sich erstreckende Gezei-
tenbeobachtungen anstellen. Die Arbeiten beschränkten sich wegen der Kürze der
zur Verfügung stehenden Zeit in erster Linie auf die Auslotung der Hauptfahrwasser;
eine Aufnahme kleinerer Priele, der Watten und Sände fand nicht statt.
Im Bereich der Ostsee wurden zur gleichen Zeit die südlichen Küstengebiete
durch G. af Klint nach den in Schweden längst üblichen trigonometrischen Verfahren
vermessen. Die Aufnahme, für die Preußen vermutlich die geodätischen Unterlagen
der 1796 bis 1802 durchgeführten Triangulierungsarbeiten zur Verfügung stellte,
erstreckten sich von den südlichen Teilen der Belte bis zur Memelschen Bucht und
fanden im „Schwedischen See-Atlas“ ihren Niederschlag. Mit verbesserten Methoden
wurden diese Gebiete in den Jahren 1832 bis 1840 wiederholt vermessen und die
Ergebnisse 1848 und 1855 veröffentlicht.
1826 führte der dänische Admiral C. Zahrtmann hydrographische Vermessungen
unter Anwendung moderner Methoden fort, wobei von 1836 an die deutschen Ost-
seeküsten bis Wustrow mit vermessen wurden.