Langfristige hydrographische
Schwankungen im Nordatlantik
zwischen 45 und 50° N
Die Ozeanographie versucht seit knapp
100 Jahren, die ozeanische Zirkulation und die
sie beeinflussenden Prozesse zu bestimmen
und zu beschreiben. Dabei war das Augenmerk
lange Zeit auf eine erste Erfassung einzelner Re
gionen gerichtet. Bei einem Anteil von 70% an
der Erdoberfläche stellen die Ozeane eine allein
arbeitsmäßig enorme Herausforderung dar, die
es erst in den letzten 10 Jahren erlaubt hat, aus
Einzeldarstellungen ein Gesamtbild der globalen
ozeanischen Zirkulation zusammenzusetzen.
Mit der Beschreibung des Grundzustandes
der ozeanischen Zirkulation, die im Weltozean
für den Transport von Wärme, Süßwasser und
Stoffen sorgt, geht die Bestimmung der langfristi
gen, d. h. über die Jahresschwankungen hinaus
gehenden, Veränderungen einher. Im Klimasy
stem der Erde, das aus den eng gekoppelten
Komponenten Atmosphäre, feste Erde, Eis und
Ozean besteht, treten natürliche Veränderungen
auf dekadischen Zeitskalen auf. Erst seit kurzem
können sie anhand geeigneter Daten und eines
verbesserten Prozeßverständnisses für den
Ozean bestimmt werden. Im deutschen Beitrag
zum World Ocean Circulation Experiment
WOCE beteiligt sich das BSH mit zwei Teiipro-
jekten an den nordatlantischen Fragestellungen.
Ergänzend dazu sind diese Untersuchungen ein
gebettet in eigene Aktivitäten, mit denen diejeni
Nordatlantik
gen Größen und eine entsprechende Meßstrate
gie zu definieren sind, die für die Beschreibung
des ozeanischen Beitrags zum Klimageschehen
und zu seinen Veränderungen wichtig und erfaß
bar sind.
Der Nordatlantik zeichnet sich im Welt
ozean dadurch aus, daß er als einziger Ozean
beide Polarregionen direkt verknüpft. Gleichzei
tig ist sein polwärts gerichteter, meridionaler Wär
metransport nicht symmetrisch zu den Haupter
wärmungsgebieten, dem äquatorialen Gürtel,
sondern asymmetrisch dazu und damit deutlich
nach Norden verschoben. Dieser asymmetri
sche Wärmetransport ist verantwortlich dafür,
daß in den mittleren und hohen Breiten Europas
deutlich bessere klimatische Lebensbedingun
gen, und damit auch eine höhere Bevölkerungs
dichte, anzutreffen sind als in irgendwelchen an
deren Gebieten ähnlicher Breite. Veränderungen
dieses nach Norden gerichteten Wärmetrans
ports haben deutliche Auswirkungen auf das
Klima Europas. In der herrschenden Diskussion
um die Auswirkungen menschlichen Handelns
auf das Klimasystem sind jedoch die natürlichen
Schwankungen der Einzelbeiträge nicht ausrei
chend bekannt, um sie von Veränderungen auf
grund menschlicher Eingriffe klar unterscheiden
zu können.
Zwischen Neufundland und Südirland hat
der Nordatlantik auf etwa 48° N eine geringe zo
nale Ausdehnung, durch die Wärme und Süß
wasser transportiert werden müssen. Außerdem
liegt hier im langfristigen Zustand die Trennlinie
zwischen dem Subpolarwirbel in der Labrador
see und südöstlich Grönlands einerseits und
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