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Wolff Heintschel von Heinegg
Nun trifft es zu, daß die gleichmäßige Verwendung der Begriffe "sovereign rights"
und "jurisdiction" bzw. "droits souverains" und "juridiction" sowohl in Art. 56 Abs.
1 SRÜ 1982 als auch in Art. 1 und 3 des XIII. Haager Abkommens grundsätzlich
nicht die Schlußfolgerung zu rechtfertigen vermag, auch die EEZ sei vom Schutz
bereich des Art. 1 XIII. Haager Abkommen bzw. des entsprechenden Gewohn
heitsrechtssatzes umfaßt. 148 Die Entstehungsgeschichte des XIII. Haager Abkom
mens wie auch die nachfolgende Staatenpraxis verdeutlichen, daß nur in den
Seegebieten Seekriegsmaßnahmen untersagt sein sollten, auf die sich die Souve
ränität des Küstenstaates erstreckt. 149 Die Art. 55 ff. SRÜ 1982 bestimmen aber
nicht, daß sich die Souveränität des Küstenstaates auch auf die 200-sm-EEZ er
streckt, vielmehr werden ihm in diesem Seegebiet nur bestimmte souveräne
Rechte, Hoheitsbefugnisse und sonstige im SRÜ 1982 bezeichnete Rechte zuge
wiesen. Im übrigen genießen alle anderen Staaten in der EEZ die traditionellen
Freiheiten der Hohen See. 150 Das EEZ-Konzept ist zu charakterisieren als der Ver
such, "to accomodate two competing interests - the desire of Coastal States for
greater control over offshore resources versus the perceived need of maritime po-
wers to maintain traditional freedom of action in waters beyond the territorial
sea." 151 152 Wenngleich die EEZ nicht vollständig die Rechtsnatur der Hohen See teilt,
so kann sie doch nicht mit dem Küstenmeer gleichgesetzt werden. 132
Gleichwohl ist zweifelhaft, ob allein diese an den Bestimmungen des SRÜ 1982
und des XIII. Haager Abkommens orientierte Argumentation geeignet ist, unge
achtet der besagten Rechte und Befugnisse der Küstenstaaten die neutrale EEZ
weiterhin dem allgemeinen Seekriegsgebiet zuzuordnen. Versteht man das Neu
tralitätsrecht als ein durch die Einwirkung des zwischen anderen Völkerrechts-
148 Ausführlich dazu E. Rauch, Protocol Additional (Fn. 13), S. 35 ff.
149 Vgi di e Nachweise oben in Fn. 60 ff. sowie den dazugehörigen Text.
150 Art. 58 i.V.m. Art. 87 SRÜ 1982.
151 So St.A. Rose, Naval Law Review XXXIX (1990), 67. E. Richardson, zeitweise Leiter der US-
Delegation auf der 3. Seerechtskonferenz, faßt die Position der Seemächte wie folgt zusam
men: "In the group which negotiated this language it was understood that the freedoms in
question [...] must be qualitatively and quantitatively the same as the traditional high-seas
freedoms recognized by international law: they must be qualitatively the same in the sense
that the nature and extent of the right is the same as the high-seas freedoms; they must be
quantitatively the same in the sense that the included uses of the sea must embrace a range
no less complete - and allow for future uses no less inclusive - than traditional high-seas free
doms"; Power, Mobility and the Law of the Sea, Foreign Affairs (Spring 1980), 902-919, 916.
152 Zu den unterschiedlichen Einordnungen der Rechtsnatur der EEZ vgl. die Nachweise bei B.
Kwiatkowska (Fn. 145), S. 230 ff. D. Attard (Fn. 134, S. 66) meint gar, daß aufgrund der vagen
Bestimmungen in den Art. 55 ff. SRÜ 1982 die "actual nature will depend more on the
practice of states over the years than on the theoretical formulae devised at UNCLOS III." Hin-
gewiesen sei jedoch auf den Schiedsspruch im Abgrenzungsfall zwischen Guinea und Guinea-
Bissau (Fn. 141), in dem das Gericht ausdrücklich feststellt, daß die EEZ nicht von der Sou
veränität des Küstenstaates umfaßt sei.