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WOLFF HEINTSCHEL VON HEINEGG
dem Vorbehalt des Verbots, die Küstengewässer eines neutralen Staates zum
Stützpunkt von Seekriegsoperationen zu machen. Das bedeutet, daß Angriffsope
rationen durch die seegestützte Luftkomponente ihren Ausgangspunkt grund
sätzlich nicht innerhalb einer vom Küstenmeer der neutralen Anliegerstaaten
umfaßten internationalen Meerenge nehmen dürfen. Überhaupt ist ja nach Maß
gabe des Neutralitätsrechts grundsätzlich 122 jeglicher Waffeneinsatz jedenfalls in
den Teilen einer internationalen Meerenge verboten, auf die sich die Souveränität
der Anliegerstaaten erstreckt. Daran ändert auch nichts das Recht auf Transit
durchfahrt, beinhaltet dieses doch nur das an den Anliegerstaat gerichtete Verbot,
die Meerenge für die Kriegsschiffe und militärischen Luftfahrzeuge der Konflikt
parteien zu schließen.
3. Archipelschiffahrtswege
Bereits im Zusammenhang mit der Beschreibung des allgemeinen Seekriegsge
biets ist dargelegt worden, daß sich die Souveränität von Inselstaaten nach Maß
gabe von Teil IV des SRÜ 1982 auf die innerhalb der Archipelbasislinien gelegenen
Gewässer, die sog. Archipelgewässer, als auch auf deren Meeresboden und Mee
resuntergrund sowie den darüber befindlichen Luftraum erstreckt. Die Souveräni
tät über die Archipelgewässer ist indes nicht absolut. Vielmehr sind die Archipel
staaten verpflichtet, allen Schiffen und Luftfahrzeugen auf den sog. Archipel
schiffahrtswegen das Recht der Durchfahrt offenzuhalten. 123 Zu diesem Zweck
kann der Archipelstaat besondere Schiffahrtswege und Flugstrecken festlegen, in
denen er auch Verkehrstrennungsgebiete vorschreiben darf. 124 Unterbleibt die
Festlegung, so kann das Recht der Durchfahrt auf Archipelschiffahrtswegen auf
den Wegen und Strecken ausgeübt werden, die üblicherweise der internationalen
Schiffahrt und Luftfahrt dienen. 125 Die Durchfahrt auf Archipelschiffahrtswegen
ist in ähnlicher Weise ausgestaltet wie das Recht auf Transitdurchfahrt in inter
nationalen Meerengen, naturgemäß fehlt es aber an einer Art. 35 lit. c) SRÜ 1982
vergleichbaren Bestimmung. Demgemäß genießen die Schiff- und Luftfahrt frem
der Staaten in und über den besonders festgelegten bzw. traditionellen Archipel
schiffahrtswegen das Recht der ununterbrochenen und zügigen Durchfahrt bzw.
des Überflugs 126 , das durch die Archipelstaaten nicht behindert oder ausgesetzt
122 Eine Ausnahme gilt freilich in bezug auf den defensiven Waffeneinsatz.
123 Art. 53 Abs. 2 SRÜ 1982.
124 Art. 53 Abs. 1 und 6 SRÜ 1982. Zu den Anforderungen an die Festlegung der Schiffahrtswege
und Flugstrecken vgl. Art. 53 Abs. 4, 5, und 8 bis 10 SRÜ 1982.
125 Art. 53 Abs. 12 SRÜ 1982.
126 Art. 53 Abs. 1 SRÜ. In den Archipelgewässern außerhalb der Archipelschiffahrtswege besteht
lediglich ein aussetzbares Recht auf friedliche Durchfahrt. Vgl. i.ü. E. Beckert/G. Breuer
(Fn. 13), Rdn. 1394 ff.