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Wolff Heintschel von Heinegg
Meerengen erklärt, auf diese finde das allgemeine Völkerrecht Anwendung. 76 77 In
des ist zweifelhaft, ob sich bereits im Jahre 1907 für die Durchfahrt von Kriegs
schiffen ein entsprechender Rechtssatz herausgebildet hatte." Daß letztlich nur
Japan Zweifel an einem Verbot der Sperrung von Meerengen geäußert hatte, än
dert weder etwas an diesem Befund noch vermag diese Tatsache über die fehlende
Bereitschaft der Delegierten hinwegzuhelfen, sich auf eine besondere Regel für
Meerengen zu einigen. 78
Auch die Staatenpraxis während der internationalen bewaffneten Konflikte bis
1945 79 gibt nur unzureichenden Aufschluß über die Frage, ob die neutralen An
liegerstaaten einer internationalen Meerenge verpflichtet sind, diese in jedem Falle
offenzuhalten. 80 Zwar hielten insbesondere die skandinavischen Staaten die von
ihrem Küstenmeer umfaßten internationalen Meerengen sowohl für die Handels
schiffe als auch für die Kriegsschiffe der Konfliktparteien offen und stellten, wenn
sie Minensperren errichtet hatten, Lotsendienste zur Verfügung. 81 Gleichwohl
76 "La formule adoptée [...] ne tranche nullement les questions précédentes, laissées sous l'empi
re du droit des gens général"; abgedruckt bei Th. Niemeyer, Urkundenbuch (Fn. 23), S. 893.
77 So stellte Jessup im Jahre 1927 zwar fest, die Geltung des Rechts auf friedliche Durchfahrt in
Meerengen "requires no supporting argument or citation", räumte zugleich aber ein, daß dies
im Hinblick auf Kriegsschiffe nicht einer gefestigten Rechtsauffassung entsprach; PhC. Jes
sup, The Law of Territorial Waters and Maritime Jurisdiction, New York 1927, S. 120.
78 So bereits H. Wehberg, Das Seekriegsrecht, in: F. Stier-Somlo (Hrsg.), Handbuch des Völker
rechts V 5, 1915, S. 418 f. Demgegenüber zieht Rauch aus der Entstehungsgeschichte des XI-
II. Haager Abkommens die Schlußfolgerung: "From the opinions expressed it seemed that a
neutral State may forbid even innocent passage through limited parts of its territorial waters
so far as that was considered necessary to maintain its neutrality, but that this prohibition
could not extend to straits uniting two open seas”; E. Rauch, Protocol Additional (Fn. 13), S.
41. Rauch belegt dies im folgenden auch mit der Stellungnahme des norwegischen Delegier
ten, wonach das Recht auf friedliche Durchfahrt durch das Küstenmeer selbst in Kriegszeiten
erlaubt sei, und den fehlenden Einwänden. Dieser Stellungnahme ist jedoch nichts im Hin
blick auf die Meerengenfrage zu entnehmen. Vielmehr wird durch sie lediglich der in Art. 10
des XIII. Haager Abkommens niedergelegte gewohnheitsrechtliche Grundsatz bestätigt. Eben
so: N. Ronzitti, Crisis (Fn. 19), S. 19.
79 Vgl. die Nachweise bei M.M. Whiteman, Digest of International Law, Vol. 11, 1968, S. 276 ff.
80 So aber H. Wehberg, Seekriegsrecht (Fn. 78), S. 418 f.
81 Vgl. die Nachweise in: Reichs-Marine-Amt, Seekriegsrecht im Weltkrieg (Sammlung diplomati
scher Noten und anderer Urkunden. Zusammengestellt im Aufträge des Staatssekretärs des
Reichs-Marine-Amts), 3 Bde., 1916; OKM, Urkunden zum Seekriegsrecht (Fn. 27); ferner E.
Rauch, Protocol Additional (Fn. 13), S. 32 f. Darüber hinaus verpflichteten sich die nordischen
Staaten (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden) in der Stockholm Declaration
Regarding Similar Rules of Neutrality vom 27. Mai 1938 (LNTS 188, 294-331), soweit anwend
bar, dazu, ihre Meerengen den Kriegsschiffen der Konfliktparteien offenzuhalten. Vgl. Art. 2
Abs. 3 und 8 Abs. 1 (Dänemark); Art. 2 Abs. 3 und 8 Abs. 1 (Schweden). Dazu O. Bring, Com
mentary on the 1938 Stockholm Declaration, in: N. Ronzitti (ed.), Law of Naval Warfare
(Fn. 10), S. 839-843. Dieser meint hinsichtlich der dänischen und schwedischen Bestimmun
gen über Meerengen: "The Danish and Swedish Regulations implicitly confirmed the traditio-