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Wolfgang Birke
aus anderen Verträgen, die ihm die Zuständigkeit übertragen, beschränkt. Ei
ne solche Übertragung liegt zum Beispiel bei Fischereiübereinkommen nahe.
Insgesamt wird man also nicht sagen können, daß das Streitschlichtungsver
fahren nach dem Seerechtsübereinkommen wesentlich Neues bringt. Es füllt
eher Lücken aus wie sie zum Beispiel beim Internationalen Gerichtshof beste
hen, der wegen der Fakultativklausel in Art. 36 seines Statuts in vielen Fällen
keine obligatorische Gerichtsbarkeit hat und vor dem nur Staaten Streitpartei
en sein können, ein erhebliches Manko bei den mit dem Tiefseebergbau ver
bundenen Streitigkeiten.
Ein weiterer Vorteil können die anerkannte fachliche Eignung der Richter im
Seerecht nach Art. 2 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Seegerichtshofs
und die Möglichkeit sein, nach Art. 289 über wissenschaftliche und technische
Angelegenheiten Sachverständige hinzuzuziehen.
Schließlich trägt das Seerechtsübereinkommen der neueren Entwicklung hin
sichtlich der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit see
rechtlichen Zuständigkeiten dadurch Rechnung, daß auch derartige Interna
tionale Organisationen bei der Beilegung von Streitigkeiten nach Art. 7 der
Anlage IX parteifähig sind.
In die Zukunft weist der Internationale Seegerichtshof durch seine Zusammen
setzung, bei der weitergehend als beim Internationalen Gerichtshof Belange der
Dritten Welt berücksichtigt werden. Darauf ist später noch bei der Darstellung
der Richterwahl einzugehen.
Die besondere Bedeutung des Internationalen Seegerichtshofs für die Bundes
republik Deutschland ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 des Statuts, das die Freie
und Hansestadt Hamburg als Sitz des Gerichts festlegt. Dem ging eine Ab
stimmung voraus, bei der Hamburg gegenüber Split und Lissabon obsiegte. Als
Voraussetzung dafür wurde nach Ziffer 38 der Schlußakte und der Einleiten
den Note zum Entwurf des Seerechtsübereinkommens vom 28. August 1981
bei der Beschlußfassung über den Sitz vereinbart, daß Deutschland das See
rechtsübereinkommen vor dessen Inkrafttreten ratifiziert haben mußte. Nach
Art. 308 Abs. 1 sollte das Übereinkommen zwölf Monate nach Hinterlegung der
60. Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft treten.
Als diese am 16. November 1993 durch Guyana erfolgt war, bedeutete das, daß
nach Art. 308 Abs. 2 Deutschland 30 Tage vor dem Inkrafttreten am
16. November 1994 seine Beitrittsurkunde hinterlegt haben mußte.
Nun fragt sich natürlich, warum wir überhaupt solange mit dem Beitritt gezö
gert und uns einem derartigen Zeitdruck ausgesetzt haben. Das erklärt sich
daraus, daß Teil XI des Übereinkommens mit seinen planwirtschaftlichen Ele
menten und anderen Nachteilen die Industriestaaten von einem Beitritt abge
halten hat. In der von der VN-Seerechtskonferenz eingesetzten Vorbereitungs
kommission für die Internationale Meeresbodenbehörde und den Internationa
len Seegerichtshof ließen sich die Gegensätze zwischen den Industrie- und den
Entwicklungsländern nicht überbrücken. Wir fühlten uns den Industrielän
dern verbunden und haben deshalb abgewartet, bis in den im Juli 1990 einge
leiteten Konsultationen unter Vorsitz des VN-Generalsekretärs am 8. April