Seerecht setzt Wirtschaftsrecht
Uwe Jenisch
Das am 16. November 1994 in Kraft getretende Seerechtsübereinkommen der
Vereinten Nationen mit seinen 320 Artikeln und 9 Annexen wird zur globalen
Rechts- und Nutzungsordnung für alle Meere und alle Nutzungsmöglichkeiten.
Die Bezeichnung Seerechts-Konferenz bzw. Konvention war von Anfang an irre
führend. Tatsächlich handelt es sich in erster Linie um eine Nutzungsordnung
und um die Gestaltung von (Wirtschafts-) Politik.
Ziel dieses Beitrages ist es, das Seerechtsübereinkommen aus der Sicht von
Wirtschaft und Industrie auf neue Rahmenbedingungen, neue Marktfelder und
zusätzlichen Handlungsbedarf hin zu untersuchen. Dies geschieht unter den
Gesichtspunkten der Energiegewinnung in Wirtschaftszone und Festlandsok-
kelzone, der Fischereirechte, des Tiefseebergbaus und der meereswirtschaftli
chen Zusammenarbeit mit anderen Staaten insbesondere der Dritten Welt.
Fragen der Schiffahrt und der Verkehrs- und Kommunikationsrechte können
hier - ebenso wie die gerichtliche Streitbeilegung - nur gestreift werden, obwohl
auch sie von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung sind.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Seerechts wird klar, wenn man folgende
Fakten bedenkt:
- 90 % des Handels läuft über See ebenso wie der größte Teil des internationa
len Luftverkehrs.
- 90 % der Welt-Fischbestände konzentrieren sich auf die 200 Seemeilen-
Zonen.
- 1/3 der Weltvorräte von Öl und Gas liegen off-shore.
- Die Metallvorkommen der Tiefsee (namentlich Kupfer, Nickel, Kobalt und
Mangan) betragen ein Vielfaches der Lagerstätten an Land.
- Die Meere sind der Schüssel zum Verständnis der globalen Umweltverhält
nisse und des Weltklimas, denn sie bestimmen den Wärmehaushalt, die Re
generation des Sauerstoffs und die Speicherung des СОг, um nur einige Bei
spiele der Interaktion zwischen Atmosphäre und Hydrosphäre zu nennen.
- Schließlich ist auch das Meerwasser als solches interessant, denn es kann
mit entsprechender Technik zur Bewässerung, als Trinkwasser oder als
Energiequelle genutzt werden.
Der Verlauf der Seerechtsverhandlungen (1973 - 1974) bestätigt die zentrale
Bedeutung als Wirtschaftskonferenz. Standen am Beginn der Seerechtskonfe
renz die Visionen einer "Neuen Weltwirtschaftsordnung" im Mittelpunkt, so wa
ren es am Ende die Zwänge der Marktwirtschaft, die beim Inkrafttreten des
SRÜ Pate standen.