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Axel Werbke
2. Komplizierter als diese Rechtsbereinigung sind solche SRÜ-Folgemaßnah-
men, bei denen es darum geht, daß Deutschland seine aus dem Übereinkom
men erwachsenden Verpflichtungen als Vertragspartei zu erfüllen vermag. Hier
kann z.B. die Bestimmung zuständiger Behörden in Betracht kommen - etwa
für die Übermittlung von Unterlagen des Flaggenstaats über Strafverfahren ge
gen seine Schiffe an einen anderen Staat nach Art. 228 Abs. 1 SRÜ - oder die
aus Art. 91 ff. SRÜ folgende Verpflichtung, bei der staatlichen Zuordnung der
Schiffe noch bestehende Rechtslücken zu füllen und z.B. auch für deutsche
Binnenschiffe, wenn sie auf internationalen Gewässern wie dem Kiel-Ostsee-
Weg aufkreuzen sollten, im Flaggenrecht einen völkerrechtlich relevanten Sta
tus zu schaffen. Das umfangreichste Pflichtenpaket enthält innerhalb des SRÜ
der Meeresbergbauteil XI und das dazu geschlossene Durchführungsüberein
kommen; Herr Koch wird darüber referieren. Alle diese Änderungsvorschläge,
soweit sie den Bundesgesetzgeber betreffen, liegen jetzt im Rahmen des er
wähnten Entwurfs zum SRÜ-Ausführungsgesetz als eines der ersten Vorhaben
dem neuen Bundestag vor 21 .
3. Sind unsere Seekarten - sprich: die öffentlich-rechtlichen Seevorschriften
des Bundes - damit in Ordnung? Sie können nicht vollständig in Ordnung
sein, solange nicht drittens das erforderliche Plazet aus Brüssel darauf ist;
oder aus LuxemburR, vom Europäischen Gerichtshof (EuGH). Ein Rechtssatz
wie Art. 91 Abs. 1 SRÜ beispielsweise, wonach jeder Staat autonom die Bedin
gungen festlegt, zu denen er Schiffen seine Staatszugehörigkeit gewährt, und
zwar unter dem Obligo, daß zwischen dem Staat und dem Schiff eine echte
Verbindung - der berühmte „genuine link“ - bestehen muß, wird nach der
Rechtsprechung des EuGH im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander
durch die Niederlassungsfreiheit nach den Art. 52 und 221 des EG-Vertrages
verdrängt 22 . Dies hat zur Folge, daß Schiffe jeglicher EG-ausländischer
Schiffseigentümer im Prinzip die Bundesflagge führen dürfen, auch wenn der
Eigentümer in Deutschland keinen Wohn- oder Geschäftssitz hat und die
deutschen Besatzungsmitglieder in der Minderzahl sind. Mit dem Problem, daß
uns dritte SRÜ-Parteien insofern einen Verstoß gegen das genuine link-Erfor-
dernis zur Last legen können, müssen wir allein klarkommen. Hier tun sich im
Ansatz Abgründe auf - Abgründe zwischen Europarecht und Völkerrecht,
21 Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage der innerstaatlichen Wirkung bzw. Umset
zung von Entscheidungen des Internationalen Seegerichtshofs; vgl. Peter Seidel, Zustän
digkeit und Verfahren des Internationalen Seegerichtshofes in Angelegenheiten der Schiff
fahrt, Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht, Reihe A, Heft 56,
Hamburg 1986.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs Factortame II, Rs. 221/89, Amtl. Sammlung 1991 I,
S. 3905.
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