UN-Seerechtsübereinkommen und bundesdeutsches Recht
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ventionsunwilligen Staaten leicht, sich ohne Gesichtsverlust von ihm zu lö
sen 13 .
Nicht ganz so eindeutig, aber umso dringlicher der Klärung harrend, stellt sich
des weiteren die grundsätzliche, im Zusammenhang mit dem SRÜ erneut kon
kret hochgespielte Problematik des Verhältnisses von national gebundenen
Staaten zu ihren (supranationalen) Organisationen bei internationalen Ab
kommen dar, wie dies der Streit um die einzuhaltende Reihenfolge bei der
Zeichnung des SRÜ zwischen EU und ihren Mitgliedstaaten gezeigt hat 14 . Hier
ansetzende Untersuchungen werden sich mit der Außenvertretungsbefugnis
der EU 15 zu beschäftigen haben, und zwar schwergewichtig unter dem Aspekt
diesbezüglicher Modifizierungsmöglichkeiten im Gefolge internationaler Ab
kommen - wie des SRÜ.
Was die verbleibenden innerstaatlichen Rechtsfragen anbelangt, so geht es
zum einen um das Durchforsten der nationalen "Rechtsmassen", nicht nur
unter dem Aspekt eines allgemeinen Anpassungsbedarfs an die Inhalte des
SRÜ, sondern auch - und vor allem - mit Blick auf die Erweiterung der Ho
heitsgewalt aufgrund der Ausdehnung des Küstenmeeres und der ausschließli
chen Wirtschaftszonen 16 . Zum anderen stellt sich zwar nicht hinsichtlich des
deutschen Beitrittsgesetzes zum SRÜ, wohl aber im Hinblick auf das federfüh
rend vom Bundesverkehrsministerium vorbereitete Durchführungsgesetz zu
jener Konvention 17 - wie bei den meisten großen Gesetzesvorhaben des Bundes
mit Umweltrelevanz - die (Gretchen-)Frage nach der Gesetzgebungszuständig
keit des Bundes 18 : Die den Meeresumweltschutz betreffenden Regelungsgehalte
des SRÜ begreifen die Umwelt offensichtlich nicht ein- oder (additiv) mehrme
dial, sondern - entsprechend dem naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand -
in einem ökosystemaren, d.h. integrativen Sinn 19 . Für das legislative Erfassen
eines so verstandenen Umweltschutzes dürfte dem Bund aber die Gesetzge
bungskompetenz fehlen, weil ihm das Grundgesetz eine umfassende Zustän
13 Vgl. auch den warnenden Hinweis bei Jenisch (Fn. 1), S. 10: "... vorausgesetzt, es erhebt
sich kein nennenswerter Widerspruch"; zu weiteren Problemen insoweit Berenbrok / Nuss
baum, RIW 1994, 910 (911); allg. Graf Vitzthum, ebd.
14 Dazu Jenisch (Fn. 1), S. 25 f.; allg. kritisch gegenüber dem Verhalten der EG / EU im See
völkerrecht Werbke, AVR 32 (1994), 405.
15 Grundlegend EuGH, Slg. 1971, 263; näher Oppermann, Europarecht, 1991, Rdn. 1630 ff.;
zur diesbzgl. Problematik gemischter Verträge ders., a.a.O., Rdn. 1656 ff.; auch Lagoni,
AVR 32 (1994), 382 (387); des weiteren mit Blick auf die EG / EU Rechtsetzungspraxis
pointiert Werbke, AVR 32 (1994), 405 (414): "Hat die Bundesrepublik auf die EG nach
Art. 24 GG die Möglichkeit übertragen, Art. 25 GG und Völkerrechtsregeln zu verdrängen?"
16 Vgl. bereits Jenisch, in: Das UN-Seerechtsübereinkommen tritt in Kraft (Fn. 2), 51 (58 f.)
17 Dazu Jenisch (Fn. 1), S. 23 f.
18 Dazu am Beispiel des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung Erbguth / Schink,
UVPG, Kommentar, 1992, Einl. Rdn. 49 ff. m.w.N.
19 Vgl. Teil XII SRÜ; allgemein zum integrativen Umweltschutz Erbguth / Schink (Fn. 18), § 2
Rdn. 27 ff.