Meereskunde
Eis ist ein wichtiges Element innerhalb des
Wärmeflusses zwischen Atmosphäre und Meer.
Das operationelle Modell berechnete im Eiswin
ter 1993/94 erstmals die winterliche Bildung von
Meereis. Die Ausdehnung und die Dicke der Eis
felder wird durch den verwendeten Ansatz quali
tativ richtig berechnet. Ein Vergleich der Modell
ergebnisse mit beobachteten Eisbedeckungen
zeigte aber noch Schwächen im Driftverhalten
des Modelleises auf. Diese konnten durch zu
sätzliche Berücksichtigung der Scherspannun
gen behoben werden. 1994 ist das Seegangsvor
hersagemodell mit dem Operationellen Modell
gekoppelt worden. Durch die Berücksichtigung
der Wechselwirkung zwischen Strömung und
Seegang wird erreicht, daß z. B. küstennahe
Staueffekte realistischer berechnet werden.
Der Vorhersagezeitraum für die prognosti
zierten Größen beträgt jeweils ca. 36 h. Alle be
rechneten Daten werden in einem automatischen
Magnetbandarchiv aufbewahrt, damit auch Aus
künfte über zurückliegende Zeiträume gegeben
werden können.
Das Modellsystem ist hauptsächlich für ak
tuelle, zeitkritische Anwendungen in den meeres-
kundlichen Diensten des BSH eingerichtet. Zu
diesen zeitkritischen Anwendungen gehören Was
serstandsprognosen für die deutschen Küsten
sowie Driftprognosen für Öl, Chemikalien und
andere Schadstoffe sowie für Seenotfälle.
Ebenso häufig sind Rückrechnungen erforder
lich, bei denen aus Fundort und -zeit - z. B. bei
Ölverschmutzungen am Strand - der Herkunfts
ort der Verschmutzung ermittelt wird.
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Das BSH unterstützt die Sonderstelle des
Bundes Ölunfälle See/Küste (SBÖ) mit Progno
sen der Öl- und Chemikalienverdriftung nach Un
fällen und illegalen Einleitungen auf See. Auch
zur Aufklärung von Küstenverschmutzungen ist
das Driftmodell erfolgreich angewendet worden.
Der spektakulärste Fall trat ein, nachdem in der
Nacht vom 8. zum 9. 12. 1993 der Container
frachter Sherbro während eines Sturmes im Är
melkanal 88 Container verlor. 4 Container ent
hielten das Pestizid Apron Plus, der Inhalt eines
der Container gelangte wahrscheinlich in der
Straße von Dover ins Meer. Der Stoff war in klei
nen Beuteln enthalten, die in der 3. Januarwoche
1994 an der niederländischen Küste in großer
Zahl angespült wurden. Die weitere Verdriftung
der noch im offenen Meer treibenden Beutel
wurde dann mit dem operationeilen Modell je
weils unter Berücksichtigung der gemeldeten
Fundorte berechnet und damit das Absammeln
der gefährlichen Beutel an den deutschen Küsten
unterstützt.
Besonders zeitkritisch sind Berechnungen
im Seenotfall. Um hier eine wirklich zuverlässige
Unterstützung der Rettungsdienste DGzRS
(Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchi
ger) und SAR als Dienstleistung rund um die Uhr
anbieten zu können, ist seit 1992 eine direkte
Rechner-Verbindung zwischen DGzRS und BSH
realisiert. Die Suche nach Vermißten bei schlech
ter Sicht wird dadurch nachhaltig verbessert.
Driftprognosen werden über ein Terminal der
Seenotleitung Bremen der DGzRS on line am
GRZ/BSH ausgeführt.