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Viertens: Das Recht auf seinen Festlandsockel hat Deutschland auch ohne das
SRÜ, ja selbst ohne die schon 1964 verlautbarten Proklamationen 11 . Ich verwei
se auf das IGH-Urteil von 1969 zur deutschen Klage gegen Dänemark und die
Niederlande 12 , das unter die seit der Truman-Erklärung von 1945 geführte um
das Festlandsockelregime prinzipiell einen Schlußstrich zog und in Abkehr von
Grundsätzen der Genfer Shelf-Konvention von 1958 13 eine neue Streitkultur der
Grenzfestlegungen begründete. 14 Das SRÜ schuf dafür eigens eine Festland
sockelgrenzkommission mit Sitz in New York 15 . Deutschlands Abgrenzungs
probleme sind in der Nordsee seit 1971 durch Verträge mit den Niederlanden,
Dänemark und Großbritannien 16 , in der Ostsee durch weitgehend bestätigte
Abkommen der ehemaligen DDR mit Schweden 17 , Polen 18 und Dänemark 19 bis
auf einen hoffentlich ebenfalls bald festgelegten Grenzabschnitt östlich
Schleswig-Holsteins vertraglich im wesentlichen 20 geklärt. Dabei spielen
Spezifika des SRÜ wie die Aufhebung der "natural prolongation'-Doktrin, die
Messung ab Basislinie oder die komplizierte Formel des Art. 76 über die
Begrenzung des Außenshelfs wegen der naturgegebenen Enge unserer Aus
dehnungsmöglichkeiten keine Rolle.
Fünftens: Die Liste der Fehlanzeigen geht weiter, wenn wir uns anschauen, was
der Bundesrepublik Deutschland eine eigene ausschließliche Wirtschaftszone
(AWZ) nach Art. 56 ff. SRÜ bedeutet. Die souveränen Rechte über die Schätze
des Meeresbodens sind bereits mit dem Festlandsockelregime gegeben.
Exklusivrechte hinsichtlich der auf sie bezogenen Forschung nehmen wir im
Einklang mit der Shelf-Konvention von 1958 spätestens seit 1980 in Anspruch.
11 Bundesrepublik Deutschland: Prokl. vom 20.1.1964, BGBl. 1964 II S. 104; DDR: Prokl.
vom 26.5.1964, GBl. I S. 99.
12 Urteil vom 20.2.1969, ICJ Reports 1969 S. 47; zur Geltung als Gewohnheitsrecht vgl.
Rudolf Bernhardt, Custom and Treaty in the Law of the Sea, in: Recueil des Cours 1987,
V, der Akademie für Internationales Recht in Den Haag, Dordrecht-Boston-London 1989
S. 308ff.
13 Genfer Übereinkommen über den Festlandsockel vom 29.4.1958, UNTS vol. 499 S. 311;
deutscher Text bei Berber/Randelzhofer a.a.O. (Fn. 3) S.239ff.
14 Anschaulicher Überblick z. B. bei R. Bernhardt a.a.O. (Fn. 12) S. 304ff.
15 Anhang II zum SRÜ.
16 Vom 28.1.1971, BGBl. 1972 S. 882 und 889 (Dänemark und Niederlande) sowie vom
25.11.1971, BGBl. 1972 II S. 897 (Großbritannien).
17 Vom 22.6.1978 - GBl. 1979 II S. 38.
18 Vom 22.5.1989 -GBl. II S. 150.
19 Vom 28.6.1989-GBl. II S. 147.
20 Die Verträge der DDR sehen vor, daß die trilateralen Punkte noch entsprechender Ver
einbarungen bedürfen.