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Full text: Zum hundertsten Geburtstage des Gründers der Deutschen Seewarte Georg von Neumayer [Neumayer-Heft]

Heidke, P.: Neumayer als Deutscher und Gelehrter, 
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stets in freundlicher Weise auf die Ansichten anderer einging und auf diese Rücksicht nahm. Auch 
von den Lesern dieser Blätter werden wohl manche sich der angenehmen Stunden erinnern, die sie 
in der Gesellschaft Neumayers in Streits oder Wiezels Hotel in Hamburg verlebt haben, Gerade 
bei solchen Gelegenheiten zeigte sich, daß Neumayer allzeit ein richtiger Sohn der fröhlichen Pfalz 
eblieben war; herzliches Lachen konnte man dann von ihm hören, aber anderseits auch ernste ein- 
arucksvolle Worte, wenn das Gespräch sich Gegenständen zuwandte, die ihm besonders am Herzen 
lagen. Häufig hat Neumayer die Anwesenden durch sein untrügliches Gedächtnis für Personen, Namen, 
Jahreszahlen, Monats- und Wochentage von Ereignissen in Erstaunen gesetzt; arge Zweifler haben ge- 
iegentlich die Angaben unmittelbar nicdergeschrieben, nachträglich geprüft und stets richtig gefunden.“ 
Bei der vielseitigen Begabung Neumayers ist begreiflich, daß er in seiner Berufs- 
tätigkeit nicht voll aufging, sondern noch Interesse für andere Wissenschaften und 
Kunst behielt. Gern hörte er gute Musik, selten versäumte er die Symphonie- 
und Oratorien-Konzerte seines Freundes, des Professors Julius von Bernuth in 
Hamburg, in dessen Hause er viel verkehrte. Gern sah Neumayer Künstler und 
Kunstfreunde bei sich; manchem jungen Talent hat er mit den‘ Lebensweg geebnet. 
Wie schon angedeutet, ist Neumayer Junggeselle geblieben: „Wer sich der 
Wissenschaft widmen will, darf sich nicht binden; wenn die jungen Leute erst 
anfangen, sich zu verloben und zu verheiraten, geht aller Idealismus zum Teufel.“ 
So äußerte er seinen Standpunkt noch in den mittleren Jahren. Später aber 
sprach er offen sein Bedauern aus, daß er ohne nähere Angehörige dastehe, und 
meinte in seinem kernigen Humor: „Es ist doch nicht das Richtige gewesen, daß 
ich so einsam durch die Welt gelaufen bin; jetzt will niemand etwas von einem 
30 alten Kerl wissen.“ ; 
Zunächst könnte es scheinen, als wenn Zufall den ungewöhnlichen Lebens- 
weg Neumayers bestimmt hätte: Als Süddeutscher und Münchener Student wurde 
er erst Seemann, dann englischer Kolonialbeamter, ferner Hydrograph der deut- 
schen Admiralität und schließlich Leiter der Deutschen Seewarte. Genauere Be- 
irachtung zeigt aber, daß sein Leben ungewöhnlich bewußt aufgebaut ist und 
ron vornherein einem Ziel zugestrebt hat. Drei Leitsternen ist Neumayer von 
arster Jugend an gefolgt: Deutschland, Wissenschaft und Socefahrt. Aus 
der innigen Liebe zur engeren Heimat, der schönen bayrischen Pfalz, erwuchs 
ihm unter dem Einfluß der zunächst vergeblichen Bestrebungen zur Einigung 
Deutschlands während seiner Jünglingsjahre die Liebe zum einigen deutschen 
Vaterland. Dieser Begeisterung hatten die Schriften des Nationalökonomen 
Friedrich List die Richtung auf Seeverkehr und Seemacht gegeben. Maurys 
bahnbrechende Arbeiten über maritime Meteorologie, die von Gauss und Lamont 
über Erdmagnetismus erweckten in dem jungen Physiker die Überzeugung, daß 
er berufen und fähig sei zur Mitwirkung, der deutschen Wissenschaft und der 
deutschen Seefahrt eine ebenbürtige Stellung neben der englischen und amerika- 
nischen zu erobern, Es ist somit Neumayer das seltene Glück eines trotz aller 
seiner reichen Mannigfaltigkeit als einheitliches Kunstwerk aufgebauten großen 
Lebens zuteil geworden, dessen Spur fortbestehen wird. 
Zusammenfassend gilt von Neumayers Leben das Wort unseres großen Ge- 
schichtsforschers Leopold von Ranke: „Das Größte, was dem Menschen begegnen 
kann, ist es wohl, in eigener Sache die Allgemeinheit zu verteidigen“ und — das 
sei hinzugefügt — „zu fördern“. 
Neumayer hat das Glück gehabt, in einer Zeit des Aufstieges seines deutschen 
Volkes zu leben, - Wirklichkeit sind die Träume seiner Jugend geworden. Nicht 
vergönnt war es ihm zwar, die heldenmütige Begeisterung vom August 1914 mit- 
zuerleben, als einig das gesamte deutsche Volk den Kampf gegen eine Welt von 
Feinden aufnahm. Erspart blieb ihm aber auch, den furchtbaren Zusammen- 
bruch vom November 1918 und seine Folgen mitzuerleben. Nötiger als je sind 
uns heute Führer, die wie Neumayer als Deutsche warmen Herzens für ihr Volk, 
aber klaren und kühlen Kopfes, willenskräftig jeder an seiner Stelle den Wieder- 
aufstieg Deutschlands vorbereiten und durchzuführen wissen. Dann wird, wie 
unsere vielhundertjährige Geschichte zeigt, auch der Tag nicht mehr fern sein, 
wo unter seinem großen Führer das deutsche Volk sich wieder seiner vollen 
Freiheit als gleichgeachtetes unter den großen Völkern des Erdballs erfreut. 
Nur Männer bestimmen nun einmal die Geschicke der Völker,
	        
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