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Full text: Zum hundertsten Geburtstage des Gründers der Deutschen Seewarte Georg von Neumayer [Neumayer-Heft]

16 Zum 100. Geburtstage des Gründers der Deutschen Seewarte, Georg von Neumayer. 
um alsdann wegen seiner Verdienste um den Geographentag zum Ehrenpräsi- 
denten gewählt zu werden. 
In unverwüstlicher Frische feierte Neumayer noch am 21. Juni 1906 seinen 
80. Geburtstag in Neustadt a. d. Hardt; stehend beantwortete er die Ansprachen 
der unzähligen Abordnungen, alle einzeln und jede auf besondere Weise, Besonders 
zeigte sich hierbei seine Beliebtheit in der engeren Heimat. In den folgenden 
Jahren blieben allerdings auch ihm die Beschwerden und die Vereinsamung des 
Alters nicht erspart; besonders nahm ihn im Winter 1907/08 ein gefährlicher 
Bronchialkatarrh mit; aber noch einmal siegte seine zähe Natur. Doch als im 
Winter 1908/09 mit seiner ebenfalls bereits 80 jährigen Schwester, der verwitweten 
Frau Rat Müller, mit der er Haus an Haus wohnte, die letzte Verwandte dahin- 
ging, welche er dauernd um sich hatte, da vermochte er, der sein Leben hindurch 
Junggeselle geblieben war, sich von diesem Schlag nicht wieder zu erholen. Am 
24, Mai 1909 schloß Neumayer für immer die Augen. Am 27, Mai geleiteten ihn 
seine treuen Pfälzer zur letzten Ruhestätte auf den Friedhof zu Neustadt a.d.Hardt, 
Zahllos waren die Beileidstelegramme und Trauerkränze, die auch von auswärts 
eingegangen waren; Vertreter geschickt hatten viele der Institute, Behörden und 
Gesellschaften, zu denen Neumayer in Beziehung gestanden hatte. 
Von der vielseitigen Tätigkeit des Verstorbenen zeugen seine. zahlreichen 
Veröffentlichungen, von denen nur erwähnt seien: 
Results of the mat nautical and meteorological observations made and collected at the 
Flagstaff Observatory, Melbourne 1860. — Results of the meteorological observations taken in the 
Solony of Vietoria and of the nautical observations collected and discussed at the Flagstaff Obser- 
ratory, London 1864. — Discussion of the ne oem and magnetical observations made at the 
Flagstaff Observatory Melbourne, Mannheim 1867, — ults of the magnetical survey of the Colony 
» Victoria, Mannheim 1869, -— Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen, Berlin, 
1. Auflage 1875. 3. Auflage 1907. — Die Polarforschungen 1882 und 1883, erschienen in 4 Bänden, 
Hamburg 1886 und 1891 — Wolkenatlas (mit Hildebrandsson und Köppen), Hamburg 1890 — 
Atlas des Erdmagnetismus (in Berghaus Physikalischem Atlas) 1891 — Anemometerstudien, bearbeitet 
ron H, 7. Hasenkamp im „Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte 1897“ — Der Sternschnuppen- 
Strom der Leoniden 13, bis 16. November zu erwarten, Neustadt a. d, Haardt 1899 — 3 Seekarten 
der Kaiserlich Deutschen Admiralität: Linien gleicher magnetischer Deklination, Inklination und 
Horizontal-Intensität, Berlin 1900. 
Bei den Lebensbeschreibungen, die anläßlich hundertjähriger Geburtstage 
arscheinen, ist es Brauch, auch der, persönlichen Eigenschaften zu gedenken. 
Hier können nur die warmen Worte wiederholt werden, mit denen C. Stechert 
in einem Nachruf Neumayers gedacht hat: 
Manche seiner vortrefflichen Charaktereigenschaften sind aus seinen Handlungen ohne weiteres 
arkennbar und bereits bei der Schilderung seines Lebensganges erwähnt worden. „Es war bezeichnend 
für Neumayers menschenfreundliche Gesinnung, daß er jedem, wes Standes er auch sein mochte, mit 
einer en Liebenswürdigkeit entgegentrat, Es fehlte ihm gewiß nicht an einem be- 
rechtigten Selbstbewußtsein, ängstlich aber vermied er es, dieses Gefühl äußerlich hervortreten zu 
lassen; in dieser freundlichen Absicht nahm er z. B. häufig bei der Begegnung mit jüngeren Leuten 
den Gruß vorweg, ebenso ging er kurz vor dem Jahresschluß oder vor hohen Festtagen von Tür zu 
Tür, um mit den zahlreichen Beamten seines Instituts einen Händedruck zu wechseln und ihnen 
Glückwünsche auszusprechen. Ganz besonders aber trat Neumayers wohlwollender Charakter zutage, 
wenn er gezwungen gewesen war, aus sachlichen Gründen die eigene Meinung schroff derjenigen 
nes andern entgegenzustellen, oder wenn er in der Erregung des Augenblicks jemandem zu nahe 
getreten war. In ungezwungener Weise und ohne sich etwas zu vergeben, ging dann stets die An- 
näherung wieder von ihm aus, und er vermied hierdurch eine dauernde Entfremdung, die bei seiner 
ganzen Sinnesart jedenfalls drückend auf ihm gelastet haben würde. — Es ist, besonders von jüngeren 
Leuten, Neumayer bisweilen nachgesagt worden, er habe Versprechungen gemacht, die er später nicht 
erfüllt habe ler nicht habe erfüllen können, Man kann in bezug hierauf wohl nur auf die Worte 
eines seiner besten Freunde hinweisen: „Neumayer besaß auch die Fehler seiner Vorzüge‘. In der 
aufrichtigen Absicht, andern zu helfen und besonders die wissenschaftlich Strebsamen zu fördern, hat 
ar vielleicht hin und wieder die Verhältnisse zu optimistisch beurteilt; nichts aber lag seinem menschen- 
ireundlichen Charakter ferner, als durch haltlose Zusagen andern Enttäuschungen zu bereiten, 
In seiner äußeren Lebensführung war Neumayer von seltener Anspruchslosigkeit, davon legte 
wohl das geradezu dürftige tägliche Frühstück das beste Zeugnis ab, Einige bescheiden eingerichtete 
Zimmer im Parterre der Deutschen Seewarte genügten seinen Ansprüchen als Junggeselle, und dabei 
benutzte er noch nicht einmal alle Räume im täglichen Gebrauche; eine der besten Stuben war als 
Fremdenzimmer eingerichtet, und es war stets für ihn eine unverkennbare Freude, wenn er einen 
alten Freund oder einen Verwandten als Gast bei sich aufnehmen konnte. — Ganz besonders schätzte 
Neumayer eine freundliche und anregende Geselligkeit, und er selbst war anderseits, besonders in 
hamburgischen Häusern, ein allgemein beliebter und verehrter Gast, Neumayer fesselte eben nicht 
allein durch seine Persönlichkeit, sondern auch durch die ganze Art der Unterhaltung, bei der er
	        
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