38 | Berichte des BSH Nr. 57
B Historie der Gezeitengrundweri?
Die erste Ausgabe der deutschen Gezeitentafeln erschien für das Jahr 1879
und wurde vom Hydrographischen Bureau der Kaiserlichen Admiralität erstellt
(Kaiserliche Admiralität, 1878)°. Neben den ausführlichen Vorausberechnungen
für die Zeiten und Höhen der Hochwasser von sechs Bezugsorten gab es
bereits in dieser Ausgabe für 31 Orte (nicht ganz vollständige) Angaben von
mittleren Zeitunterschieden sowie mittleren Steig- und Falldauern und mittleren
Tidenhüben (mittlerer „Fluthwechsel“).
Unter der Überschrift „Erklärungen betreffend die Tiden-Erscheinungen“ wurden
ab GT 1915 erstmals Begriffsbestimmungen abgedruckt. Dort wird z. B. definiert:
„Mittlere Hochwasserhöhe ist das Mittel aus vielen aufeinanderfolgen-
den Hochwasserhöhen, ebenso in sinngemäßer Abänderung: mittlere
Niedrigwasserhöhe, mittlere Dauer des Steigens, mittlere Ebbedauer,
mittlerer Tidenhub usw.“ (GT 1915, S. VII)
und
„Springzeit ist der Zeitpunkt der stärksten Einwirkung von Mond und
Sonne auf die Tiden-Erscheinungen. Im allgemeinen gibt es während
eines Mondumlaufes zweimal Springzeit, und zwar in der Nähe von
Voll- und Neumond.“ (GT 1915, S. VII)
Bemerkenswert ist der zusätzliche Hinweis, dass „es unter der Küsten- und
Seemanns-Bevölkerung [teilweise] Gebrauch [ist], unter Springzeit nicht den
aben erklärten bestimmten Zeitpunkt zu verstehen, sondern einen Zeitraum von
mehreren Tagen um Voll- und Neumond herum [...]“ (GT 1915, S. VII). Dies ent-
spricht der heutigen Praxis, die Springzeit (und entsprechend die Nippzeit)
zusätzlich pauschal als die vier Tage ab der entsprechenden Mondphase
anzugeben (vgl. Tafel „Spring-, Mitt- und Nipp-Zeiten“ ab GT 1998).
In der Gezeitentafel 1933 wurden die expliziten Definitionen für „Mittlere Hoch-
wasserhöhe“ und verwandte Begriffe größtenteils wieder herausgenommen.
Stattdessen findet man folgenden Eintrag, welcher sich in sinngemäßer Form
bis zur Ausgabe von 2019 gehalten hat:
„Mittlerer ..., der Bezeichnung eines Gezeitenwertes vorgesetzt, bedeu-
tet den bestbekannten Mittelwert für diese Größe, der im allgemeinen
aus einer längeren Beobachtungsreihe berechnet ist.“ (GT 1933, S. IX)
> Im Folgenden werden Referenzen zu den deutschen Gezeitentafeln als „GT“, gefolgt von der Jahreszahl, angegeben und auf
detaillierte Anaaben im Literaturverzeichnis verzichtet