4 Untersuchungen zur Nord- und Ostsee und deren Küsten
Anette Ganske, Nils Schade, Jens Möller, Corinna Jensen, Kerstin Jochumsen
(Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie)
4.1 Einleitung
Die Küstengebiete sind als Siedlungs- und Wirtschaftsraum und mit ihrer Verkehrsinfrastruktur aus Was-
serstraßen, Bahn- und Straßenverbindungen den Wetterextremen und dem Klimawandel im besonderen
Maße ausgesetzt. Seegang und Sturmfluten in Verbindung mit einem steigenden Meeresspiegel können die
Stabilität der Küsten beeinträchtigen. Die Risiken für die Bewohnbarkeit sowie die (land)wirtschaftliche und
verkehrliche Nutzbarkeit der Küstengebiete, die jetzt schon teilweise unter Meeresniveau liegen, drohen zu
steigen. Zudem können Küstengebiete nicht nur durch Sturmfluten bzw. Sturmhochwasser überflutet wer-
den: Die Entwässerung von Flüssen, die in die Nord- oder Ostsee münden, kann durch hohe Wasserstände
von Nord- und Ostsee behindert werden. So führen seit einiger Zeit starke und/oder lang anhaltendende
Niederschläge vermehrt zu Überschwemmungen von landwirtschaftlich genutzten Gebieten, beispielsweise
in den Auen der Eider, wenn bei einem erhöhten Wasserstand vor der Küste die Entwässerung über Nord-
Ostsee-Kanal (NOK) und Eider nur eingeschränkt möglich ist. Deshalb stehen sowohl ein sicheres Leben
in der Küstenzone als auch die Wirtschaft und die Verkehrsinfrastruktur des Bundes in dieser Region unter
dem Druck, sich an veränderte klimatische Bedingungen des 21. Jahrhunderts anpassen zu müssen.
Wie auch im Binnenbereich werden im Fokusgebiet Küsten Mess- und Klimamodelldaten ausgewertet, um
diese veränderten Bedingungen in der nahen und fernen Zukunft zu untersuchen. In Küstennähe und über See
sind die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre dabei besonders wichtig:
? Bei starkem auflandigem Wind können Sturmfluten entstehen, die zu Überflutungen führen. Die
Höhe einer Sturmflut hängt jedoch nicht nur von der Stärke des Windes, sondern auch von der
Windrichtung, von der Windlauflänge, von der Gezeitenphase und vom Windstau vor den Küsten ab.
? Wellen führen neben dem mittleren Wasserstand zu einer zusätzlichen Belastung von Küstenbau-
werken und gefährden den Schiffsverkehr.
? Bei auflandigem Wind wird der Wasserstand insbesondere in den großen Ästuaren erhöht. Im El-
bästuar kann dies auch dazu führen, dass beispielsweise der NOK nicht mehr entwässert werden
kann. Bei zeitgleich auftretenden Niederschlägen, die wiederum zu erhöhten Abflüssen führen kön-
nen, könnte der Wasserstand des NOK über einen kritische Höhe hinaus anwachsen, sodass der
Schiffsverkehr verringert oder im Extremfall sogar eingestellt werden muss (siehe Kapitel 4.5).
Man benötigt also konsistente Projektionen für die Atmosphäre und den Ozean in einer hohen zeitlichen
und räumlichen Auflösung, damit diese Wechselwirkungen adäquat untersucht werden können. Dies wird
mit gekoppelten Atmosphäre-Ozean-Modellen realisiert (siehe Kapitel 4.3), die im Rahmen des Vorgänger-
programms KLIWAS entwickelt wurden. Damit stehen neben Informationen zum Luftdruck, Wind und
Niederschlag auch Informationen zum Meeresspiegelanstieg zur Verfügung (siehe Kapitel 4.4). Zuallererst
müssen geeignete Modelle identifiziert und validiert werden, um sicher zu stellen, dass die Ergebnisse und
Analysen vertrauenswürdig sind. Hierfür werden verschiedene Referenzdaten verwendet, die im Kapitel 4.2
beschrieben werden.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen dienen auch dazu, Randwerte für die Simulationen von Tidedynamik
und Sedimenttransporten auszuwählen und bereit zu stellen. Ergebnisse der Winduntersuchungen werden
im Schwerpunkt Sturmgefahren verwendet. Die Ergebnisse aller Analysen an der Küste sind Teil der Unter-
suchungen im Schwerpunkt Hochwassergefahren und liefern Erkenntnisse, die auch für die Deutsche Anpas-
sungsstrategie (DAS), die KWVA 2021 und den Aktionsplan Anpassung III verwendet werden.