des Verkehrs in diesem Gebiet erforderlich ist. Ob die Kriterien erfüllt sind, entscheidet die
IMO als dafür zuständige internationale Organisation. Diese Regelung ähnelt dem PSSA-
Konzept, ist jedoch mit diesem nicht deckungsgleich.52 Das ist auch darauf zurückzuführen,
dass das PSSA-Konzept bereits vor dem Inkrafttreten des SRÜ beschlossen worden ist.
Allerdings besteht eine enge Verknüpfung, denn die PSSA-Richtlinien nennen auch Art. 211
Abs. 6 SRÜ als Rechtsgrundlage für zusätzliche Schutzmaß-
Ehlers: Lotsenannahmepflicht in der Kadetrinne(RdTW 2022, 133) 138
nahmen. Dabei handelt es sich jedoch letztlich um einen Zirkelschluss, denn wenn eine
Maßnahme nach Art. 211 Abs. 6 SRÜ ergriffen wird, bedarf es keiner weiteren Ausweisung als
PSSA-Maßnahme. Andererseits ließe sich argumentieren, dass das PSSA-Konzept insoweit der
konkreten Umsetzung dieser Vorschrift dient.53 Dem steht jedoch entgegen, dass die Kriterien
für die Ausweisung eines solchen Gebietes nach den beiden Regelungen zwar ähnlich sind, bei
einem PSSA-Gebiet jedoch nur eines der Kriterien, bei einem Gebiet nach Art. 211 Abs. 6 SRÜ
hingegen kumulativ alle Kriterien erfüllt sein müssen.54 Hinzu kommt, dass ein Gebiet nach
Art. 211 Abs. 6 SRÜ nicht von der IMO, sondern von dem Küstenstaat ausgewiesen wird,
nachdem die IMO bestätigt hat, dass die Kriterien erfüllt sind. Nicht erforderlich erscheint, dass
das zu schützende Gebiet auf die AWZ eines Staates begrenzt ist. Betrifft es wie bei der
Kadetrinne die AWZ von mehreren Staaten, erschiene es wenig sinnvoll, wenn jeder Staat nur
die Ausweisung seines Teilgebietes betreiben könnte. Vielmehr müssen sich die Staaten auf
ein gemeinsames Vorgehen einigen.55
17 Im Rahmen der erforderlichen Zustimmung der IMO prüft diese, ob die Voraussetzungen
für die Ausweisung als zu schützendes Gebiet gegeben sind. Das schließt auch eine
Entscheidung darüber ein, ob die nach Art. 211 Abs. 5 möglichen Regelungen nicht ausreichen,
sondern wegen besonderer Umstände zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind.56 Erfolgt die
Zustimmung der IMO, kann der Küstenstaat nach Art. 211 Abs. 6 lit. a SRÜ Vorschriften
erlassen, die den von der IMO für Sondergebiete zugelassenen internationalen Regeln und
Normen oder Schifffahrtsgebräuchen Wirksamkeit verleihen. Auch wenn der Begriff des
Sondergebietes lediglich im MARPOL-Übereinkommen ausdrücklich verwendet wird, ist er in
diesem Zusammenhang sehr viel weiter zu verstehen und umfasst alle Gebiete, deren
Meeresumwelt besonders gefährdet erscheint. Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass mit der
nationalen Vorschrift eine von der IMO zugelassene Regel oder Norm umgesetzt wird. Das
wiederum bedeutet, dass eine internationale Rechtsgrundlage vorliegen muss, an der es für
die Lotsenannahmepflicht fehlt. Alternativ würde es auch ausreichen, wenn es sich um von der
IMO zugelassene Schifffahrtsgebräuche handelt. Unter Schifffahrtsgebräuchen ist eine
nautische Praxis zu verstehen, die der allgemein üblichen Handlungsweise eines
gewissenhaften Schiffsführers entspricht.57 Das könnte hinsichtlich einer
Lotsenannahmepflicht dann bejaht werden, wenn in besonders umweltgefährdeten Gebieten
von den in Frage kommenden Schiffen überwiegend Lotsen angenommen werden. Auf jeden
Fall ist es erforderlich, dass die IMO eine solche Praxis für anwendbar erklärt hat, denn
anderenfalls würde es sich nicht um „zugelassene Schifffahrtsgebräuche“ im Sinne der wenig
präzisen deutschen Übersetzung des SRÜ58 handeln. Das läuft zumindest bei den
Schifffahrtsgebräuchen faktisch auf eine Zustimmung durch die IMO hinaus. Streitig ist, ob die
IMO genauso wie nach Art. 211 Abs. 6 lit. c SRÜ ihre förmliche Zustimmung zu den
beabsichtigten Maßnahmen geben muss, obgleich dies nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht
vorgesehen ist.59 Dafür spricht, dass eine Entscheidung der IMO, ob für das Gebiet aus
besonderen Umständen zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, letztlich davon abhängt,
Kopie von Peter Ehlers, abgerufen am 08.05.2022 09:05 - Quelle: beck-online DIE DATENBANK
http://beck-online.beck.de/Bcid/Y-300-Z-RDTW-B-2022-S-133-N-1
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