Änderung ergibt, oder es sich um eine nach Maßgabe des Art. 211 Abs. 6 SRÜ handelt, worauf
noch zurückzukommen sein wird.41 Das bedeutet letztlich, dass durch die PSSA-Richtlinien
keine zusätzlichen rechtlichen Möglichkeiten geschaffen werden, sondern lediglich festgelegt
wird, unter welchen Voraussetzungen international im Grundsatz bereits vorgesehene
Maßnahmen zur Anwendung kommen können. Das kann insbesondere für die Ausweisung von
Sondergebieten und Emissionsüberwachungsgebieten nach MARPOL sowie die Einführung von
Wegeführungs- und Schiffsmeldesystemen nach SOLAS zutreffen.
14Ob die Voraussetzungen für die Einführung einer Lotsenannahmepflicht als zusätzliche
Maßnahme für ein PSSA beschlossen werden kann, erscheint zweifelhaft. In der IMO ist die
Annahme von Lotsen im Zusammenhang mit der Ausweisung des Great Barrier Reef
einschließlich der Torres Strait als PSSA ein Thema gewesen. 1987 und 1990 verabschiedete
die IMO Empfehlungen, dass bestimmte Schiffe bei Befahren der inneren Route im Great
Barrier Reef und in der Torres Strait sowie dem Great North East Channel die australischen
Lotsdienste in Anspruch nehmen sollten.42 Zugleich wies sie 1990 das Great Barrier Reef
formell als PSSA aus.43 In mehreren Schritten führte Australien für einige Bereiche dieses
PSSA, die zu den inneren Gewässer bzw. dem Küstenmeer Australiens gehören, eine
Lotsenannahmepflicht ein.44 2005 wurde durch Beschluss der IMO auch die Torres Strait in
das Great Barrier Reef PSSA einbezogen.45 In diesem Zusammenhang empfahl die IMO den
Staaten, die Schifffahrt unter ihrer Flagge zu informieren, dass sich Schiffe ab 70?m Länge
sowie Öl-, Chemikalien- und Gastanker in diesem PSSA an das australische Lotssystem halten
sollten.46 Als daraufhin die Lotsenannahmepflicht auch für die Torres Strait und den Great
North East Channel eingeführt wurde, erhoben die USA und Singapur Protest,47 da dies eine
Verweigerung, Behinderung oder Beeinträchtigung des Rechts der Transitdurchfahrt durch
Meerengen48 darstelle. Ob die etwas mehrdeutige Formulierung in dem Beschluss von 2005
als Autorisierung der Lotsenannahmepflicht durch die IMO verstanden werden kann,49
erscheint zweifelhaft.50 Letztlich beinhaltet der Beschluss nur eine Empfehlung, die Schifffahrt
zu informieren, dass sie sich an die australischen Regelungen halten sollte, ohne dass sich
daraus eine verbindliche Verpflichtung herleiten lässt. Einer abschließenden Klärung bedarf es
an dieser Stelle nicht, denn die Great Barrier Reef-Beschlüsse der IMO können schon deshalb
nicht als Präzedenzfall für die Kadetrinne herangezogen werden, weil sich die australische
Lotsenannahmepflicht ausschließlich auf Hoheitsgewässer bezieht. Weitergehende
Forderungen nach einer Ausweitung auf andere Teile des Great Barrier Reef, die Teil der AWZ
sind, fanden in der IMO jedoch kein Gehör.51
15Genauso wenig lassen sich Schlüsse daraus ziehen, dass die IMO die Ostsee als PSSA
ausgewiesen hat, ohne dass eine Lotsenannahmepflicht als zusätzliche Schutzmaßnahme in
Betracht gezogen worden ist, denn ein dahin gehender Antrag ist von den Ostseestaaten nicht
gestellt worden. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass sich aus den bisherigen PSSA-
Aktivitäten der IMO keine Anhaltspunkte herleiten lassen, dass für eine Lotsenannahmepflicht
als zusätzliche Schutzmaßnahme die erforderliche Rechtsgrundlage besteht. Allerdings bedarf
es noch der Prüfung, ob sich diese aus Art. 211 Abs. 6 SRÜ ergeben könnte.
c) Sondergebietsregelungen nach Art. 211 Abs. 6 SRÜ
16 Art. 211 Abs. 6 SRÜ ermächtigt den Küstenstaat, für bestimmte Bereiche seiner AWZ
zusätzliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen, sofern dies aus anerkannten technischen Gründen
im Zusammenhang mit den ozeanographischen und ökologischen Verhältnissen dieses
Gebiets, mit seiner Nutzung oder dem Schutz seiner Ressourcen und mit der besonderen Art
Kopie von Peter Ehlers, abgerufen am 08.05.2022 09:05 - Quelle: beck-online DIE DATENBANK
http://beck-online.beck.de/Bcid/Y-300-Z-RDTW-B-2022-S-133-N-1
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