Zugang zu russischen Häfen für Russland unabdingbar ist. Das würde sich noch verstärken,
falls die in der Vergangenheit gelegentlich erhobene Forderungen nach einer
Lotsenannahmepflicht in weiteren Bereichen der Ostsee erneut zur Sprache gebracht werden
würden. Entsprechende geopolitische Überlegungen werden aber auch andere Staaten zu einer
eher ablehnenden Haltung veranlassen. Allenfalls auf lange Sicht erscheint es denkbar, dass
sich diese Einstellung im Lichte der Fortentwicklung des internationalen Seerechts ändert.
Gegenwärtig arbeiten die UN an einem völkerrechtlich verbindlichen Instrument zur Erhaltung
und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt des Meeres in Gebieten außerhalb
nationaler Hoheitsbefugnisse.69 Dabei wird auch über zusätzliche Regelungsbefugnisse für
geschützte Meeresgebiete diskutiert. Noch aber zeichnet sich nicht ab, auf welche die
Schifffahrt betreffende Maßnahmen man sich einigen wird. Genauso ist völlig offen, ob und
wann eine Neuregelung von ausreichend vielen Staaten angenommen und völkerrechtlich in
Kraft treten würde. Nun mögen Protagonisten einer Lotsenannahmepflicht schließlich noch
anführen, dass es in der IMO für die Zustimmung nach Art. 211 Abs. 6 SRÜ lediglich einer
Mehrheitsentscheidung bedürfe und es daher nicht auf die Ablehnung durch manche Staaten
ankomme, solange diese in der Minderheit seien; man müsse es daher auf eine
„Kampfabstimmung“ ankommen lassen. Das würde jedoch der in der IMO üblichen
Verfahrensweise völlig entgegenlaufen, würde von den Unterlegenen vermutlich als
„unfreundlicher Akt“ betrachtet werden und wäre der weiteren Zusammenarbeit äußerst
abträglich. Daher kann von einem solchen Schritt nur mit allem Nachdruck abgeraten werden.
Es ist daher nur allzu verständlich, dass die Bundesregierung offenbar zum gegenwärtigen
Zeitpunkt nicht gewillt ist, in der IMO eine Initiative zu ergreifen.
* Der Verfasser war bis 2008 Präsident des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie,
Honorarprofessor der Universität Hamburg, Autor des Standardkommentars „Recht des
Seeverkehrs“.
1 BT-Drs. 13/30897.
2 Täglicher Hafenbericht, 29.7.2015, S. 2.
3 Bundesamt für Naturschutz, Natura 2000 – Schutzgebiet Kadetrinne, Hintergrundinformationen,
S. 7, https://www.bfn.de.
4 Ausschließliche Wirtschaftszone.
5 Internationale Seeschifffahrtsorganisation.
6 IMO Res. A.339(IX), A.620(15).
7 S. Ehlers, Strategien der Helsinki-Kommission, in Ehlers/Erbguth, Aktuelle Entwicklungen im
Seerecht II, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 25, 2003, S. 85?ff.
8 S. iE die Dokumentation Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Sicherheit im Ostseeraum, 2001.
9 S. Plenarsitzung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern vom 28. Juni 2001 in Landtag
Mecklenburg-Vorpommern, Sicherheit im Ostseeraum, S. 63, und Landtags-Drs. 3/2111.
10 Council of the Baltic Sea States.
11 Baltic Sea Parliamentary Conference.
12 Entschließung Teil II der 10. Parlamentarischen Konferenz über Zusammenarbeit im
Ostseeraum, in Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Sicherheit im Ostseeraum, S. 617.
13 Erklärung über die Sicherung der Seefahrt und der Verfügbarkeit von Einsatzmitteln für Notfälle
im Ostseegebiet (Kopenhagener HELCOM-Erklärung).
14 S. dazu iE Ehlers, Strategien der Helsinki-Kommission, in Ehlers/Erbguth, Aktuelle Entwicklungen
im Seerecht II, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 25, 2003, S. 88?ff.
Kopie von Peter Ehlers, abgerufen am 08.05.2022 09:05 - Quelle: beck-online DIE DATENBANK
http://beck-online.beck.de/Bcid/Y-300-Z-RDTW-B-2022-S-133-N-1
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