Fahrtbericht
Abb. 4: Prinzipskizze zum Einfluss von Massenunregelmäßigkeiten auf das Schwerefeld der Erde
(entnommen aus Fahrtbericht Deneb 2015)
sebieten kann sich der Abstand zwischen Höhen-
Dezugsfläche und Ellipsoid um bis zu 10 cm/km in
den Gebirgen ändern. Diese Variationen überstei
gen bei Weitem die üblichen Genauigkeitsanfor-
derungen in der vermessungstechnischen Praxis.
Höhen über dem mittleren Erdellipsoid sind da-
ner kein guter Ersatz für die tatsächliche Höhe über
dem Meeresspiegel. Sie ermöglichen beispielswei-
ze keine zuverlässige Angabe zur Fließrichtung des
Wassers und sind ohne eine zusätzliche Korrektion
‚ür die meisten praktischen Anwendungen unge
eignet.
Ursache hierfür ist die schon erwähnte unregel
mäßige Massenverteilung und die dadurch ver-
Jrsachte unterschiedliche Erdanziehungskraft, die
den Meeresspiegel im wahrsten Sinne des Wortes
‚erbeult. Gebiete mit höherer Schwerkraft ziehen
das Wasser stärker an und erzeugen eine Beule
Abb. 4). Umgekehrt ziehen Gegenden mit gerin-
gerer Schwerkraft das Wasser weniger stark an, so-
dass eine Delle entsteht. Im Vergleich zu einer rein
mathematisch definierten idealen Erdfigur weist
die Meeresoberfläche deshalb »Berge« und »Täler«
auf. Über den gesamten Bereich der deutschen
Istseegewässer betragen diese Unregelmäßigkei-
ten im Maximum bis zu 5,9 m, über der AWZ der
Nordsee immerhin noch bis zu 3,9 m. Im Vergleich
zur geforderten Genauigkeit der Tiefenangaben
'n den Seekarten kann dieser Einfluss nicht ver
nachlässigt werden. In stark überhöhtem Maßstab
gleicht die Form der Erde eher einer Kartoffel mit
Dellen und Beulen als einem ebenmäßigen Körper
wie einer Kugel bzw. einem Ellipsoid.
Eine möglichst genaue Vermessung dieser Un-
regelmäßigkeiten im Erdschwerefeld (Anomalien)
ist das Ziel unserer Reise mit dem VWFS Deneb.
Auf ihrer Grundlage berechnen wir die nächste
Version der Höhenbezugsfläche von Deutsch-
‚and, das German Combined Quasigeoid 202x
Dieses Modell wird dann wieder etwas zuverläs-
siger sein als das derzeitige GCG2016 (BKG 2016;
Schirmer et al. 2018) und den Nutzeranforderun-
gen besser gerecht werden. Es wird am BSH und
bei allen anderen Kunden im maritimen Umfeld
eine genauere Umrechnung der von ihnen mit-
tels globalem Navigationssatellitensystem (GNSS)
armittelten ellinsoidischen Höhen in Höhen über
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jem festgelegten Meeresspiegelniveau ermög-:
ichen.
Wie ist es überhaupt möglich, auf
ainem »wackligen« Schiff so genaue
Schweremessungen durchzuführen?
Wenn man eine Messgröße auf einen Millionstel
Teil genau bestimmen will, braucht man schon
‘echt sensitive Messgeräte. Gravimeter, mit denen
die Schwerebeschleunigung bzw. deren Verände
‘ungen bestimmt werden, gehören in jedem Fall
Jazu.
Üblicherweise müssen Gravimeter sehr genau
1orizontiert werden und auch die Temperatur
n der Umgebung sollte sich nicht allzu schnell
ändern. Für die Durchführung von Schweremes
sungen auf einem Schiff oder in einem Flugzeug
werden deshalb besondere Messgeräte benötigt,
Iber die das GFZ Potsdam und die TU Darmstadt
„erfügen (Abb. 5).
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Abb. 5: Gravimetrisches Instrumentarium im Nasslabor an Bord des VWFS Deneb. Das
Chekan-Gravimeter des GFZ Potsdam (Aufkleber) ist auf einer Grundplatte montiert,
welche neben Steuergeräten auch das inertiale Messsystem der TU Darmstadt trägt. Rechts
hinten befindet sich ein Rack mit dem Steuerrechner für das Chekan-Gravimeter, mit vier
GNSS-Empfängern und zwei weiteren Computern. Das System ist für die dynamischen
Bedinqgunaen einer beweaten Messplattform (7. B. Flugzeug, Schiff) ausgelent
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