62 Schlussbericht des SP-108 Fokusgebiete Küsten, BMVI-Expertennetzwerk (2016–2019)
In der Umkehrung wird überprüft, wie die Verteilung der Pegelstände über einem bestimmten Wasserstand
für alle Wetterlagen ist. Es ist zu erkennen, dass während NW Wetterlagen häufig (16-23 % relative Häufig-
keit) der Pegelstand über dem 95. Perzentil liegt. Zu kleineren Anteilen (~5 %) sind hohe Pegelstände auch
bei einer C oder SW Wetterlage vertreten. Dies zeigt, dass zwar nicht direkt von der Wetterlage auf den
Pegelstand geschlossen werden kann, dass es für bestimmte Wetterlagen jedoch einen deutlichen Zusam-
menhang gibt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass besonders die Wetterlagenklasse NW einen Einfluss auf den Pegel-
stand in Cuxhaven und damit auf die Entwässerung des NOK hat. Dieser Zusammenhang ist im Winter
und Sommer noch stärker ausgeprägt, als im Frühjahr und Herbst (Jensen 2019). Auch die Wetterlagen C
und SW können als potenziell kritische Wetterlagen für die Entwässerung des NOK eingestuft werden, da
sie mit einem Teil der Tage mit hohen Pegelständen zusammenfallen. Die übrigen Wetterklassen (A, NE
und SE) können als unauffällige Wetterlagen für die Entwässerung des NOK eingestuft werden. Die
Trendanalyse zeigte, dass die Wetterlagenklasse NW in den betrachteten Modellläufen über den Zeitraum
1961–2100 signifikant zunimmt und die Klasse SE signifikant abnimmt. Die relativen Änderungen der re-
lativen Häufigkeiten zwischen dem Bezugszeitraum (1970–2000) und dem Ende des Jahrhunderts (2070–
2099) liegen für die Wetterlage NW bei +7-30 % und für die Wetterlage SE zwischen -13 % und -35 %.
5.4.2.2 Entwässerung des NOK
Die Entwässerung erfolgt in der Regel im Zeitfenster des meeresseitigen Tideniedrigwasserstands. Dies ge-
schieht zu 90 % über die Schleuse Brunsbüttel in die tidebeeinflusste Elbe/Nordsee, da die Wasserstands-
differenz hier meist eine deutlich effektivere Entwässerung ermöglicht als über Kiel-Holtenau in die Ostsee.
Es zeigt sich jedoch, dass oft die effektivste Entwässerung im Zusammenspiel der Schleusen Brunsbüttel
und Kiel-Holtenau möglich ist, da beispielsweise ein positiver Windstau in Brunsbüttel mit einem negativen
Windstau in Kiel-Holtenau einhergeht. Diese Entwässerung wird auch ohne zukünftige stärkere Nieder-
schläge alleine schon durch den Meeresspiegelanstieg und Landsenkungen schwieriger werden, da dadurch
das Entwässerungszeitfenster verringert wird.
Um den Einfluss der kurzzeitigen Variabilität im Meeresspiegelanstieg etwas zu verringern, wurden gleitende
Mittel über 30 Jahre bestimmt. So konnte das Entwässerungspotential der Zukunft bei steigendem Meeres-
spiegel mit dem der Gegenwart verglichen werden. Abbildung 5-32 zeigt ein Beispiel für Modellergebnisse
aus dem global gekoppelten Klimamodell MPI-OM im Weiter-wie-bisher-Szenario. Zusätzlich sind noch Landsen-
kungsaspekte und Abschätzungen für das beschleunigte Abschmelzen der Polkappen berücksichtigt.
Schon ein Meeresspiegelanstieg von 55 cm bis 2100 führt zu einem Rückgang der potentiellen Entwässe-
rungsleistung um über 40 %. Bei der Annahme eines Meeresspiegelanstiegs von 1,74 m bis 2100 (dies
entspricht dem 95. Perzentil für Hamburg aus Grinsted et al. 2015) würde schon zum Ende des 21. Jahr-
hunderts die potentielle jährliche Entwässerungsleistung unterhalb der heute schon nötigen jährlichen Ent-
wässerungsleistung liegen. Der NOK könnte also spätestens dann fast nicht mehr im freien Gefälle entwäs-
sert werden.
Extrem hohe Tideniedrigwasserstände reduzieren oder verhindern sogar die Möglichkeit zur Entwässerung.
Während es normalerweise nicht schwierig ist, eine Tidephase ohne Entwässerung zu überbrücken, ist es
eine Herausforderung für den Fall, dass zwei oder mehrere aufeinanderfolgende Tideniedrigwasser, die hö-
her sind als der Wasserstand im NOK (mindestens 480 cm über PNP), auftreten. Tabelle 5-10 zeigt dazu
Ereignisse von 1-6 aufeinanderfolgenden Niedrigwassern mit Wasserständen oberhalb des kritischen Levels
für 30-Jahresperioden aus dem MPI-OM/REMO RCP8.5 Lauf 1. Es ist ein rapider Anstieg an aufeinan-
derfolgenden hohen Niedrigwassern auszumachen, der zudem noch statistisch signifikant ist (auf dem 99 %
Level), insbesondere für 5 und 6 aufeinanderfolgende Ereignisse. Aktuell ergeben sich aus den 516 einzelnen
Niedrigwassern oberhalb des kritischen Wasserstands in der Zeitscheibe 1981–2010 im Durchschnitt etwa
17 Ereignisse pro Jahr. Diese Zahl wird sich in Zukunft durch den Meeresspiegelanstieg deutlich erhöhen.