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Full text: 54: Nordseezustand 2008-2011

Organische Stoffe 
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4.3 Organische Stoffe 
Norbert Theobald 
4.3.1 Einführung 
Von den heute bekannten über 18 Mio. chemischen Substanzen sind die meisten organische 
Verbindungen. Davon besitzen ca. 20 000 industrielle Bedeutung und werden in größeren 
Mengen hergestellt. Etwa 2000 Verbindungen gelten als umweltrelevant (Schadstoffe), weil 
sie giftig (toxisch) oder in der Umwelt beständig (persistent) sind und/oder sich in der Nah 
rungskette anreichern (bioakkumulieren) können. 100 bis 300 dieser Verbindungen sind zzt. in 
Listen prioritär zu behandelnder Stoffe erfasst (EU, EPA, OSPAR, HELCOM). 
Die in diesem Bericht betrachteten Substanzen stammen größtenteils aus industrieller 
Produktion und gelangen durch menschliche Aktivitäten in die Meeresumwelt. Gegenwär 
tig überwacht das BSH routinemäßig ca. 100 organische Schadstoffe, die aufgrund ihrer 
Umweltrelevanz von besonderer Bedeutung sind oder als Leitsubstanzen für ganze Schad 
stoffklassen angesehen werden (THEOBALD 1998). Unter den Schadstoffen finden sich Ver 
bindungen sehr unterschiedlicher chemischer Struktur, die sich in der Umwelt entsprechend 
verschieden verhalten können. 
Viele „klassische“ Schadstoffe sind lipophil (fettlöslich) und damit nur in geringem Maße 
wasserlöslich. Sie reichern sich daher besonders in Sedimenten und im Fettgewebe von 
Organismen an. Da sie zudem oft hochgradig persistent sind, wird eine Akkumulation inner 
halb der Nahrungskette begünstigt. Die Anreicherung und damit Belastung eines Organismus 
ist dabei umso größer, je hochrangiger seine Stellung in der Nahrungskette ist. Neben der 
unmittelbaren toxischen Wirkung der aufgenommenen Substanzen können im Organismus 
erzeugte Abbauprodukte zu einer Verstärkung der Schadstoffwirkung führen. 
Von besonderer Bedeutung sind Schadstoffe, die hormonelle Wirkungen erzeugen (z. B. DDE, 
Dieldrin, TBT). Diese als Umweltöstrogene oder Xenoöstrogene bezeichneten organischen 
Verbindungen sind hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung und Struktur - und damit 
auch in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften - sehr heterogen. Indem sie in 
die hormonellen Regelkreise von Organismen eingreifen, sind Funktionsstörungen mit nega 
tiven Folgen für Fortpflanzung und Entwicklung möglich, die oft bereits bei extrem geringen 
Konzentrationen auftreten. 
Anthropogene organische Schadstoffe sind im Meer ungleichmäßig verteilt und kommen in 
sehr unterschiedlichen Konzentrationen vor. Ihre Verteilung in der marinen Umwelt ist von 
vielfältigen Faktoren abhängig. Neben den Eintragsquellen (Schifffahrt, Industrie, Haushalt, 
Landwirtschaft), Eintragsmengen und Eintragspfaden (direkt über Flüsse, diffus über Atmo 
sphäre) sind die charakteristischen physikalischen und chemischen Eigenschaften der Schad 
stoffe und der dynamisch-thermodynamische Zustand des Meeres für Ausbreitungs-, Ver- 
mischungs- und Verteilungsprozesse relevant. Die relative Einflussstärke all dieser Variablen 
kann dabei von Stoff zu Stoff sehr verschieden sein und hat zur Folge, dass sich nur wenige 
Schadstoffe konservativ verhalten; d. h. ein einfacher Zusammenhang zwischen der Konzen 
tration anthropogener Stoffe und hydrodynamischen Variablen ist selten erfüllt. Allenfalls für 
regional begrenzte Gebiete mit klaren Quellenzuordnungen lassen sich einfache Korrelationen 
finden und nutzen. Für eine Zustandsbeschreibung ist daher eine separate und differenzierte 
Betrachtung der verschiedenen Schadstoffklassen unumgänglich.
	        
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