Einleitung
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1 Einleitung
Die Industriegesellschaft des 20. und 21. Jahrhunderts hat einen stetig steigen
den Bedarf und Bestand an neuen Chemikalien, was potenziell zu einem
andauernden und steigenden Stress auf die natürliche Umwelt führt. Große
Mengen verschiedenster Chemikalien aus der Industrieproduktion gelangen
durch menschliche Aktivitäten über Flüsse und die Atmosphäre in die Meeres
umwelt. Solche Stoffe werden insbesondere immer dann problematisch, wenn
sie in der Umwelt beständig sind (persistent), sich aufgrund ihrer lipophilen
(= unpolaren oder hydrophoben) Eigenschaften in der Nahrungskette anrei
chern (bioakkumulativ) und toxisch sind (PBT-Substanzen). Ein signifikantes
Potenzial zur Akkumulation hydrophober Substanzen zeigen dabei nicht nur
Biota sondern auch Sedimente. Daher bieten sich diese beiden Kompartimente
für die Bewertung des Umweltzustandes in Ästuarien und marinen Gewässern
an. Durch die zeitliche und räumliche Integration der Verschmutzung eines
spezifischen Wasserkörpers in Sedimenten, eignen sich Sedimente im Prinzip
besonders für ein langzeitliches Trendmonitoring, für den Vergleich von Schad
stoffkonzentrationen in unterschiedlichen Gebieten sowie für die Identifizierung
von Schadstoffquellen.
Zur Erfassung der Schadstoffbelastung der marinen Umwelt, ihrer Bewertung
und der Untersuchung langzeitlicher Veränderungen werden sowohl auf natio
naler Ebene (BLMP - Bund-Länder-Messprogramm) als auch auf internationa
ler Ebene im Rahmen regionaler Meereschutzkonventionen (OSPAR, HELCOM)
und Programme der Europäischen Union (MSRL - Meeresstrategierahmenricht
linie) Monitoringprogramme durchgeführt (OSPAR 2010, Theobald 2011, Law
2014, Loewe et al. 2013). Das langfristige Ziel aller Programme und Maßnah
men ist das Erreichen eines „guten Umweltzustandes“. Dies wird durch anhal
tende Einträge sowie die bereits bestehende Kontamination mit unterschied
lichsten chemischen, bioaktiven Verbindungen beeinflusst und erschwert. Ein
wesentlicher Baustein für die integrierte Bewertung des ökologischen Zustan
des der Nordsee ist daher eine möglichst genaue Kenntnis der räumlichen und
zeitlichen Veränderungen chemischer Variablen.
Im Hinblick auf eine verstärkte Nutzung der Nordsee (siehe räumliche Nut
zungskarte Abb. 1) durch u.a. Offshoreaktivitäten, Sandentnahmen und Bagger
gut Einbringung ist auch die Möglichkeit der Remobilisierung der organischen
Schadstoffe aus den Sedimenten in die Beurteilung mit einzubeziehen.
Das chemische Überwachungsprogramm des BLMP-Messnetz des BSH weist
dafür zahlreiche Monitoringstationen in der deutschen ausschließlichen Wirt
schaftszone (AWZ) und in der 12-Seemeilen-Zone aus. Die Lage dieser Statio
nen und die charakteristischen Sedimenteigenschaften sind in der „Stations
karte Sedimentmessungen“ in Abb. 2 dargestellt.