Die Küste, 1 Heft 1 (1952), 69-89
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bei Korndurchmessern von 0,03 mm bzw. 2,5 mm. Die Strömungen in der Lübecker Bucht
werden demnach nur selten und dann nur in geringen Tiefen schwach aktiv in die Erosion
eingreifen. Entscheidend hierfür sind die Vorgänge innerhalb der Brandungszone. Den Strö
mungen außerhalb kommt fast ausschließlich nur Bedeutung für den Transport der Schweb
stoffe zu, die in der Brandungszone vom Wasser aufgenommen worden sind. Als morpho
logisch wirksam müssen die wechselnden, aber zeitweise starken Strömungen in der Trave-
mündung angesehen werden. Sie dürften zu der natürlichen Offenhaltung des Fahrwassers
entscheidend beitragen.
Wenn auch mit den verfügbaren Geräten keine Messungen der Wasserbewegungen in der
Brandungszone vorgenommen werden konnten, so erlauben doch einige grundsätzliche Unter
suchungen dieses Problems, die in letzter Zeit in den USA durchgeführt wurden, einige Rück
schlüsse auf die Vorgänge in der Lübecker Bucht. Zusammenfassend läßt sich aus den mannig
faltigen Teilergebnissen, die aus Messungen an der kalifornischen Küste, aus Modellversuchen
in dortigen Laboratorien und aus energetischen und hydrodynamischen Überlegungen gewon
nen wurden (J. A. Putnam, W. H. Munk, M. A. Traylor [8]; W. H. Munk [6, 7]; F. P.
Shepard, D. L. Imman [111; Th. Saville [10]), folgender Überblick geben: Die auflaufenden
Seegangs- und Dünungswellen, besonders die überbrechenden Brandungswellen sind mit einem
landwärts gerichteten Wassertransport verbunden. Damit führen sie zu einem Anstau des
Wassers, der zur Entstehung einer seewärts gerichteten Brandungsrückströmung beiträgt. Als
Unterströmung ist sie wohl bekannt. Sie verteilt sich an offenen Küsten verhältnismäßig gleich
mäßig längs der Uferzone, kann aber auch zusätzlich streifenförmig gebündelt auftreten (rip
current1. Außerdem ist zu beachten, daß bei auflaufenden Brandungswellen, deren Kämme
einen Winkel mit der Küstenlinie bilden, nicht sämtliche Energie in den Brechern vernichtet
bzw. an den Küsten reflektiert wird, sondern daß ein Teil in die Bewegungsenergie einer
küstenparallelen Brandungslängsströmung (longshore current) übergeführt wird. Diese Längs
strömung erreicht beachtliche Geschwindigkeiten und ist daher entscheidend für den Sand
transport und damit für die Strandversetzung.
Unter der Annahme einer geradlinigen Küste, einer gleichmäßigen Bodenneigung und von
langgestreckten Kämmen der auflaufenden Wellen geben J. A. Putnam, W. H. Munk und
M. A. Traylor (8) folgende Beziehung für die Geschwindigkeit v der Brandungslängs
strömung an:
3
v=kk: m • H* sin 2 a ,
T
Darin bedeuten H und T Höhe und Periode der brandenden Welle, m das Gefälle des Bodens
in der Brandungszone, a den Winkel der Brandungswellen mit der geradlinigen Küste und
K einen Reibungsbeiwert, der von der Bodenrauhigkeit abhängt. Die vier Größen unter der
Wurzel sind meßbar; K stellt einen Beiwert dar, der unter gegebenen Strandverhältnissen
angenähert konstant ist.
In der Lübecker Bucht sind die Voraussetzungen für eine Anwendung der angeführten
Beziehung nicht ausreichend erfüllt, um zuverlässige Angaben über die Geschwindigkeiten der
Brandungslängsströmung machen zu können. Es ist noch eine wesentliche Vertiefung unserer
Kenntnisse von den Vorgängen in der Brandungszone notwendig. Es läßt sich lediglich eine
rohe Überschlagsrechnung anstellen, um eine Vorstellung über die Größenordnung der küsten
parallelen Brandungslängsströmung zu vermitteln. Nach umfangreichen Seegangsmessungen auf
dem Feuerschiff Fehmarnbelt von H. Brauer (1) ist bei Windstärke 7 die Wellenhöhe H =
1.4 m, dazu gehört die Wellenperiode T = 4.5 sec; die Strandneigung wird mit 0.03 an
gesetzt, a = 10 Grad angenommen; K = 8.0 gilt angenähert für Sandstrand. Daraus ergibt sich
v = 1.3 m/sec. Das ist ein Vielfaches der gemessenen Stromgeschwindigkeiten außerhalb der
Brandungszone bei Sturm. Die Richtung der Brandungslängsströmung ist durch die Fort
pflanzungsrichtung der Wellen bestimmt. Sie verläuft in Richtung auf die Öffnung des spitzen
Winkels, den die Kammlinie der Wellen und die Strandlinie einschließen.