Die Küste, 1 Heft 1 (1952), 69-89
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neuen Lotsenhafen. Richtung und Geschwindigkeit wiesen einen regelmäßigen Wechsel von Ein-
und Ausstrom mit Gezeitenstromcharakter auf. Diese Feststellung mag auf den ersten Blick
überraschen, da die Gezeiten im ganzen Seegebiet der Ostsee verschwindend klein sind. Der
mittlere Springtidenhub der Lübecker Bucht beträgt nur 11 cm. Die Wasserstandskurve von
Travemünde ist in Abbildung 11 mit aufgenommen. Aber es bleibt zu beachten, daß dieTrave-
mündung nur einen geringen Querschnitt besitzt. Sie nimmt die Stellung einer Düse zwischen
zwei Wasserbehältern ein, nämlich zwischen der Lübecker Bucht auf der einen Seite und den
haffartigen Gebieten der Pötenitzer Wiek und des Dassower Sees sowie dem Unterlauf der
Trave mit seinem Seencharakter auf der anderen Seite. Die Wasserstandsschwankungen gehen
in erster Linie von der Lübecker Bucht aus, sei es in Form von Stauerscheinungen, Eigenschwin
gungen einzelner Seegebiete oder der ganzen Ostsee oder in Form von Gezeiten. Bei der An
passung der Wasserstände der ausgedehnten inneren Gebiete an die der Lübecker Bucht müssen
beträchtliche Wassermengen durch die Travemündung geschoben werden, die bei der Enge der
Mündung zu erheblichen Geschwindigkeiten Anlaß geben. Spitzengeschwindigkeiten bis
95 cm/sec wurden gemessen (Abb. 8 A), zugleich die höchsten Werte, die während der ganzen
Meßperiode festgestellt wurden. Diese Werte sind aber nicht allein durch die Gezeiten bewirkt,
sondern hierbei sind noch Wasserstandsschwankungen anderer Natur beteiligt, worauf
W. Hansen (3) näher eingcht.
Verhältnismäßig rein kommt der Gezeitenstromcharakter der Bewegungen bei sehr
ruhiger Wetterlage zum Ausdruck (Abb. 11). In dem Zeitabschnitt, der dargestellt ist, wurde
mit zwei Schaufelradstrommessern gleichzeitig registriert, mit einem in Oberflächennähe, mit dem
anderen in Bodennähe. Hiernach scheint in Oberflächennähe eine beständige Stromkomponente
in Richtung des Ausstroms aus der Trave den Stromschwankungen überlagert zu sein. Sie
betrug etwa 10 bis 20 cm/sec und läßt sich als Oberwasser der Trave deuten. Kurze Schwan
kungen traten außerdem in den Strömungen auf, die im Wasserstand nicht spürbar waren. Die
Reaktionen der Wasserbewegungen auf Schwankungen des Spiegelgefälles sind eben viel eher
meßbar als das Gefälle selbst.
5. Zusammenfassung und Bemerkungen zu den Strömungs
verhältnissen innerhalb der Brandungszone
Eine Wiedergabe und eine Diskussion der gesamten Meßergebnisse ist aus Raumgründen
nicht möglich. Sie sind im vorliegenden Fall auch entbehrlich, da es vor allem galt, einen
Überblick über die stärkeren Strömungen zu bekommen, um beurteilen zu können, wie weit
ihnen erodierende und wie weit ihnen transportierende Kräfte zugeschrieben werden können.
Die vorliegende Auswahl beschränkt sich vor allem auf anhaltende östliche und westliche
Winde mit höheren Windstärken. Das mag einseitig erscheinen, ermöglicht aber die Verhält
nisse bei auflandigen und ablandigen Winden zu übersehen, d. h. gewissermaßen in den Grenz
fällen. Dazwischen liegen vielerlei Übergänge und lokale Abwandlungen in den Strömungs
verhältnissen, die unter anderen äußeren Bedingungen auftreten können.
Bei östlichen Winden überwiegt an der Oberfläche Einstrom für den größten Teil der
Bucht. Nur auf der Südseite von der inneren Neustädter Bucht längs des Brodtener Ufers und
der Mecklenburger Küste herrscht Ausstrom in östliche Richtung vor. Dieser Ausstrom über
quert zum großen Teil die Travemünder Bucht an ihrer Öffnung, ohne bis zur Travemündung
vorzudringen. Im Verhältnis zu anderen Windlagen gesehen, erreichen die Stromgeschwindig
keiten nach Dauerstrommessungen in Küstennähe außerhalb der Brandungszone ihre Höchst
werte im allgemeinen bei östlichen Winden.
Bei westlichen Winden, wenn sie lange genug wehen, so daß sich angenähert stationäre
Verhältnisse einstellen können, überwiegt auf allen Meßstellen in Oberflächennähe außerhalb
der Travemündung Ausstrom in östlichen Richtungen, bei Pelzerhaken sowohl wie am Brod
tener Ufer. Die abtransportierten Wassermassen werden durch Kompensationsbewegungen in
der Tiefe ergänzt. Die starke Stromschichtung besonders bei westlichen Winden nach den