Die Küste, 1 Heft 1 (1952), 69-89
627.223
Sfrömungsverhältnisse in der Lübecker Bucht
Von Günter Dietrich und Hartwig Weidemann
Inhalt
1. Aufgabenstellung 69
2. Das Untersudlungsprogramm und seine Durchführung ........ 71
3. Die Strömungsverhältnisse bei ausgewählten Windlagen
a) bei östlichen Winden 74
b) bei westlichen Winden 78
4. Die Strömungsverhältnisse in der Travcmündung . 83
5. Zusammenfassung und Bemerkungen zu den Strömungsverhältnissen
in der Brandungszone . 85
1. Aufgabenstellung
Die Aufgabe bestand in der Ermittlung der Strömungsverhältnisse in der Lübecker Bucht
im allgemeinen und ihres Anteils an den Abtragungsvorgängen vor dem Brodtener Ufer
zwischen Niendorf und Travemünde im besonderen. Der zweite Teil dieser Aufgabe mit
seinen hohen Anforderungen an direkte Strommessungen in See entsprang unmittelbar den
Bedürfnissen des Wasserbaus. Zusammen mit anderen Untersuchungen der natürlichen Ver
hältnisse galt es zu klären, mit welchen Mitteln die Küste vor den abtragenden Kräften wirk
sam geschützt werden kann.
Die vorliegende spezielle Aufgabe erschien nicht lösbar, ohne daß versucht wurde, die
Strömungsvorgänge vor dem Brodtener Ufer in einen größeren Zusammenhang mit den Ver
hältnissen in der Lübecker Bucht zu bringen. Aber auch bei der Einbeziehung der Lübecker
Bucht in die Betrachtung kann nur eine Teillösung der Fragestellung erwartet werden, da die
Vorgänge in der Brandungszone durch Messungen nicht erfaßbar waren. Die geeigneten meß-
technischen Voraussetzungen fehlen dafür. Gerade diesen Vorgängen muß aber eine über
ragende Bedeutung zugesprochen werden, sowohl wegen der zerstörenden, als auch wegen der
transportierenden Kräfte, die mit ihnen verbunden sind. Sie finden im folgenden kurz Er
wähnung, soweit man aus allgemeingültigen Ergebnissen neuerer Brandungsuntersuchungen
Aussagen über die Verhältnisse in der Lübecker Bucht machen kann.
Das Meßprogramm befaßte sich ausschließlich mit der Ermittlung der Strömungsverhält
nisse der Lübecker Bucht außerhalb der Brandungszone. Auch diese Aufgabe stellte umfang
reiche Anforderungen an die Messungen, die sich aus der allgemeinen Natur der Strömungen
in der Lübecker Bucht ergaben.
Bei einer Gesamtküstenlänge von 69 km von Dahmeshöved im Norden über Neustadt
und Travemünde bis Klützhöved im Osten und bei einer Gesamtbreite der Öffnung zwischen
Dahmeshöved und Klützhöved von 21 km stellt die Lübecker Bucht einen Teil der Meck
lenburger Bucht dar. Diese Randstellung kommt auch in den StrömungsVerhältnissen zum
Ausdruck, Sie wird deutlich, wenn man die großräumigen Strömungsverhältnisse an der Ober
fläche zwischen Kattegat und eigentlicher Ostsee betrachtet, ln den beiden Karten in Ab
bildung 1 nach G. Dietrich (2) sind die Oberflächenströmungen bei Ost- und Westwinden
Stärke 6 gegenübergestellt, die sich auf Tagesmittel des Windes und der Oberflächenströmung
beziehen. Der Anteil windbedingter Gefällsströmungen ist bei den höheren Stromgeschwindig
keiten entscheidend beteiligt. Er ist durch die geographische Lage besonders begünstigt, dadurch
daß Kattegat, Sund und Beltsee das Ostende des Skagerraks mit dem Westende der eigentlichen
Ostsee verbinden. Der gleiche Wind ruft entgegengesetzte Stauwirkung im östlichen Skagerrak
und im westlichen Teil der eigentlichen Ostsee hervor. Westliche Winde zum Beispiel erzeugen