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ausreisten (von 1868 - 1874 insgesamt 850 Segelanweisungen). Heute
noch können wohlausgebildete Meteorologen an den Textfassungen und
den zutreffenden Aussagen der Anweisungen ihre Freude haben, aller
dings auch den Mut bewundern, den v.FREEDEN offenbar besaß. Wir wis
sen heute, daß die Streuung der im aktuellen Fall anzutreffenden
Witterung um den Mittelwert aus sehr vielen Beobachtungen doch be
achtlich groß zu sein pflegt. Ohne die so früh einsetzende Tätigkeit
der Norddeutschen Seewarte für die Praxis der Handelsschiffahrt wäre
es aber vielleicht nicht zu einer so großen Förderung der maritimen
und später allgemeinen Meteorologie gekommen. Die Norddeutsche See
warte bewies die Bedeutung der Anwendung meteorologischen Wissens
für die Nautik, obwohl kein Mitarbeiter v.FREEDEN 1 s eine besondere,
über das Anstellen von Wetterbeobachtungen an Land und auf See hin
ausgehende meteorologische Ausbildung besaß. Wind- und wellenerfahren^
Nautiker pflegten damals die Wetterkunde als Sammlung von Wetterbeobach
tungen, die zunächst als Phänomene nach Ort und Zeit eingeordnet werden
konnten, um Erfahrungen in geeigneter Weise an andere Nautiker zu deren
Nutzen weiterzugeben. Damals diente eine Zeitschrift für die Verbrei
tung gesammelter Erfahrungen, die 1873 in Berlin durch Georg v.NEUMAYER
in's Leben gerufenen "Hydrographischen Mitteilungen" ab April 1875
unter dem Titel: "Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie",
Uber viele Jahrzehnte hinweg bis 1945 stellte diese Zeitschrift das
Veröffentlichungsorgan für alle in der maritimen Meteorologie, der
Hydrographie und Nautik tätigen Praktiker und Wissenschaftler dar und
war in der wissenschaftlichen Welt bekannt.
Bald nach Gründung des Deutschen Kaiserreiches kam die wirtschaftliche^
und politische Lage Deutschlands der Verwirklichung der Gedanken entge
gen, die 1865 auf dem Deutschen Gepgraphenkongress in Frankfurt ge
äußert wurden. Es gelang dem seit 187Z bei der Admiralität als Ersten
Hydrograph der Reichsmarine tätigen Georg v.NEUMAYER, die von ihm
schon seit vielen Jahren geplante "nautisch-meteorologisch-hydrogra
phische Anstalt" als Reichsanstalt durch Reichsgesetz einzurichten.
Die Norddeutsche Seewarte ging in die "Deutsche Seewarte"mit Personal
und Inventar über. Lediglich v.FREEDEN - damals Reichstagsabgeordneter
schied im Alter von 53 Jahren aus als hochverdienter Mann, dem die
Maritime Meteorologie in Deutschland ihren Anfang verdankt. Unter
stärkstem persönlichen Einsatz seiner selbst und seiner Mitarbeiter