5.5 Natalija Schmelzer & Jürgen Holfort
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Wintern wird auch im Seegebiet zwischen Bomholm
und der baltischen Küste der wegen seiner großen Tiefe
recht erhebliche Wärmevorrat des Wassers verbraucht,
so dass sich auch dort eine geschlossene Eisdecke aus
bilden kann. Dieser sehr seltene Vereisungszustand win
de seit dem Winter 1946/47 nicht mehr erreicht.
Im SKAGERRAK und KATTEGAT bildet sich in
normalen Wintern nur in den flachen Buchten und ge
schützt liegenden Küstenbereichen Eis, das Seegebiet
bleibt eisfrei. Im Kattegat kommt in kalten Wintern
auch auf See westlich der Linie Skagen - Insel Lasso
Eis vor, das im Anfangsstadium aus Schneebrei und
Pfannkucheneis besteht. Bei anhaltender Kälte bilden
sich 10-15 cm dicke Schollen, die großflächig gewöhn
lich weniger als 6/10 der Wasseroberfläche bedecken.
In sehr kalten Wintern vereist die See vollständig; das
Eis ist zur Zeit der maximalen Eisbedeckung 30-50
cm dick. In sehr kalten Wintern treten von Januar bis
Anfang März auch im nördlichen Skagerrak Treibei
sfelder von unterschiedlichem Bedeckungsgrad auf,
deren Driftgeschwindigkeit und Bewegungsrichtung
hauptsächlich durch den Wind bestimmt werden. Das
Eis kann zum Teil aus dem Kattegat stammen.
In der DEUTSCHEN BUCHT hängt die Entwick
lung der Eisverhältnisse neben den meteorologischen
Faktoren auch von den Gezeiten, von der Wassertie
fe und von der morphologischen Großgliederung der
Deutschen Bucht in offene See, Wattemneere und Zu
flüsse ab. Während in den ufemähen Wattengebieten
etwa 30% aller Winter des Beobachümgszeitraumes
1961-2010 eisfrei blieben, bildete sich im Seegebiet
vor den Nord- und Ostfriesischen Inseln nur in kalten
bis extrem kalten Wintern Eis, so wie z. B. im Winter
1995/96. In mäßigen Eiswintem beschränkt sich die
Eisbildung auf Wattenbereiche und auf die inneren Be
reiche der Nordseezuflüsse. Der offene Teil der Deut
schen Bucht bleibt in meisten Wintern eisfrei. Treibeis,
das in etwa 10% aller Winter westlich und nordwest
lich von Helgoland beobachtet worden ist, ist nicht bei
Helgoland entstanden. Es wurde durch Gezeitenströme
und langandauemde östliche Winde aus dem Küstenbe
reich seewärts vertrieben.
Die Eisbildung in Wattenbereichen beginnt im
langjährigen Durchschnitt in der ersten Januardekade.
Außerhalb der Watten tritt das erste Eis am häufigsten
in der zweiten und dritten Januardekade auf. In den in
neren Wattengebieten bildet sich vorwiegend Festeis
oder zusammenhängendes/zusammengeschobenes Eis,
in den äußeren Wattengebieten hauptsächlich Schol
leneis und Eisbrei, die durch Wind- und Gezeitenwir
kung in Bewegung gehalten werden. Bei westlichen
Winden und auflaufendem Wasser wird das Eis gegen
die Küste getrieben und dort übereinandergeschoben
oder aufgepresst. Die Dicke des ebenen Eises erreicht
in den meisten Wintern maximal 10-15 cm, in kalten
Wintern 15 -3 0 cm und in sehr kalten Wintern zeitweise
auch 30-50 cm. Am häufigsten sind die höheren Eis
dickenkategorien im Februar und Anfang März zu er
warten. Charakteristisch für den Tideeinfluss auf den
Wattflächen ist es jedoch, dass das anfangs noch ebene
Eis dort zusammen- und übereinandergeschoben und
meterhoch aufgepresst wird. Es ist dort auch mit etwa
1 bis 3 m dicken Eisblöcken aus zusammengefrorenen
Eisbruchstücken zu rechnen, besonders in Wintern mit
länger andauernden Frostperioden. Tauwetter verur
sacht im ganzen Nordseeküstengebiet einen raschen
Eisrückgang. Im Zusammenhang mit den westlichen
Winden dringt wärmeres und salzhaltigeres Nordsee
wasser in das Küstengebiet ein und beschleunigt den
durch meteorologische Einflüsse begonnenen Ab
schmelzvorgang des Eises. Gewöhnlich schmilzt das
Eis im Nordseeküstengebiet bis Ende Februar ab. In
sehr kalten Wintern, in denen das Maximum der Ver
eisung erst Mitte Februar erreicht wird, lösen sich die
letzten Eisreste Ende März auf.
Schwankungen des Eisvorkommens
in der Nord- und Ostsee
Trotz der großen saisonalen und klimatischen Unter
schiede gibt es Eiswinter, die vergleichbare Merkmale
aufweisen und in eine Klasse zusammengefasst wer
den können. Der finnische Eisdienst benutzt für die
Klassifizierung der Stärke eines Eiswinters die rekon
struierten oder berechneten Daten der jährlichen ma
ximalen Eisausdehnung der Ostsee (Seinä & Palosuo
1996). Diese Datenreihe erfasst den Zeitraum von 1720
bis heute. Je nach Größe der Eisausdehnung werden
die Eiswinter in 5 Klassen unterteilt: sehr schwache,
schwache, mäßige, starke und sehr starke Eiswinter.
Im Eisdienst des BSH (Schmelzer & Holfort 2014)
wurde das jährliche maximale Eisvolumen für die gan
ze Ostsee berechnet. Das Eisvolumen ist ein besseres
Maß für Beschreibung der Stärke eines Eiswinters, da
es nicht nur die Eisausdehnung sondern auch die Eisdi
cke berücksichtigt. Allerdings ist die Eisvolumenreihe
nur etwas über 40 Jahre lang, da zuverlässige Angaben
der Eisdicke erst ab 1973 vorliegen. Die beiden Größen
variieren von Winter zu Winter erheblich: im Winter
1986/87 war die Ostsee fast vollständig mit Eis bedeckt
(405.000 km 2 ), und im Winter 2007/08 waren es nur
12% der Fläche (49.000 km 2 ). Ähnlich verhält sich das
maximale Eisvolumen, allerdings wurde die geringste
Eismasse im Winter 1991/92 und nicht in 2007/08 pro
duziert. Abgesehen von drei extrem milden Wintern
zum Beginn der 1970er und der 1990er Jahre verhalten
sich die beiden Größen konform: mit steigender Aus-