13 Jahre IC-ENC
Global denken, regional handeln
Von England In die Welt
Ein Beitrag von MATHIAS JONAS
Die Ablösung der gedruckten Seekarte durch Ihr
digitales Pendant - die Electronic Navigational
Chart, kurz: ENC - war ein frühes Projekt der Digi
talisierung In der Seeschifffahrt. Mit dem erforder
lichen Darstellungs- und Navigationssystem ECDIS
wurde erstmals ein auf PC-Technik basierendes
Gerät für den Bordeinsatz konzipiert. Die anfäng
liche Euphorie über die amtliche Zulassung erster
ECDIS-Systeme gegen Ende der neunziger Jahre
wich jedoch rasch der Ernüchterur gitale See
kartendaten im FJMC-Format warem-praktlsch nir-
in forderte ihre Herstellung
Vor 13 Jahren wurde das International Centre for ENCs - kurz: IC-ENC - im englischen
Taunton gegründet. Seither arbeitet das IC-ENC unabhängig und nicht gewinnorien
tiert als Partner für viele Flydrographische Dienste. Neu im Bunde sind seit Herbst die
USA. Das IC-ENC unterstützt bei der Herstellung der ENCs, fungiert als Instanz für die
Qualitätssicherung, ver-
IC-ENC | ENC | WEND | RENC | Value Added Reseller - VAR treibt die ENCs an die
Berufsschifffahrt und
wickelt die Bezahlung
ab.
gends vorhander
In möglichst weltweiter Abdeckung)ir die In
ternationale Seekartographie klassischer Prägung
bedeutete dies den Übergang hin zu digitalen
Arbeitsabläufen und Produkten. Auch wenn diese
Umstellung noch nicht vollständig abgeschlossen
Ist - bei dem als »from plng to chart« bezelchne-
ten digitalen Sammeln, Sichten und Aufbereiten
maritimer Geodäten greifen noch Immer nicht alle
Prozessschritte nahtlos Ineinander -, die Haupt-
schlfffahrtsrouten sind heute zu 100 %, die Küsten
zu 91 % und die 800 wichtigsten Häfen der Welt zu
97 % hinreichend aktuell und genau digital karto-
graphlert (IMO 2014).
Welt mehr als für gedruckte Erzeugnisse Ist für
die Qualität digitaler Datensätze die strikte Einhal
tung der vorgegebenen technischen Standards
wesentlich. Um die resultierenden Vorgaben
global einheitlich In der ENC-Produktlon umzu
setzen, hat die zuständige Internationale Hydro
graphische Organisation (IHO) bereits Anfang der
vorigen Dekade das Konzept der »Worldwlde In
ternational Database« - kurz: WEND - entwickelt.
Eine grundsätzliche Annahme für dieses Konzept
war - In Anwendung der für Papierseekarten Im
Jahr 1992 eingeführten Praxis - die nationale Zu
ständigkeit für die Kartierung der nationalen Ge
wässer.
Für die In den Karten verwendete Sprache
wurde Englisch festgeschrieben; nationale Son
derbezeichnungen und Symboliken wurden aus
geschlossen. Schnittstelle zu den Kunden sollten
Kartenvertriebsstellen sein, die den Markt mit digi
talen Angeboten In Abstimmung mit den Geräte
herstellern bedienen sollten. Dabei war durchaus
die Konkurrenz über verschiedene Preis- und Ser
vicemodelle erwünscht.
Globale Vernetzung
Das WEND-Konzept beinhaltet darüber hinaus
auch allgemeine Prinzipien der regionalen Zu
ständigkeiten der nationalen Hydrographischen
Dienste für die ENC-Produktlon, Verweise auf die
Anwendung der zu beachtenden technischen
Normen und, als wesentliches Element, die Ein
richtung von Sammelstellen der ENCs der nationa
len Hydrographischen Dienste einer Region. Diese
Sammelstellen wurden mit dem Ausdruck »Regio
nal Centre for ENCs« - kurz: RENC - belegt.
Die anfängliche Vorstellung war, RENCs jeweils
für Kontinente einzurichten. Europa machte 1998
den Anfang mit einem Jointventure des britischen
und des norwegischen Hydrographischen Dlensts
namens PRIMÄR. Die skandinavischen Staaten
sowie die Staaten Mitteleuropas - darunter auch
Deutschland - waren unter den ersten Mitglie
dern. Die anfängliche Gemeinsamkeit schlug je
doch bald In Auseinandersetzungen über den
Umfang der Dienstleistungen dieser Einrichtung
und deren Finanzierung um. Nach fünf schwieri
gen Jahren trennten sich die Partner Im Jahr 2002.
Daraufhin gründeten die Dienste Großbritanni
ens, Belgiens, Irlands, der Niederlande, Spaniens
und Deutschlands das International Centre for
ENCs - kurz: IC-ENC. Zu diesem Zeitpunkt hatten
die sich unterdessen rasant weiterentwickelten
Möglichkeiten des globalen Datenaustausches
per Internet die Notwendigkeit der Regionalisie
rung scheinbar bereits überflüssig gemacht, was
am besten durch die Mitgliedschaft von Australien
verdeutlicht wurde.
Qualität als Kemgeschäft
Das IC-ENC hat seinen Sitz In Taunton, Somerset In
Großbritannien, und beschäftigt derzeit zwölf fest
angestellte Mitarbeiter - überwiegend Kartogra
phie-Ingenieure und Geomatlker - unter der Lei
tung eines Geschäftsführers (General Manager). Es
Ist aus Haftungsgründen rechtlich nicht eigenstän
dig, sondern formal an den britischen Hydrogra
phischen Dienst gebunden, der mit den Mitglieds-
Autor
Dr. Mathias Jonas ist Vize
präsident des Bundesamtes
für Seeschifffahrt und
Hydrographie (BSH) und
Chairman des IC-ENC
Steering Committee
mathias.jonas@bsh.de
HN 102— 11/2015
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