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Sylvin H. Müller-Navarra, Sturmfluten in der Elbe und deren Vorhersage im Wandel der Zeiten
Niedrigwasserzeit ein, ist also nicht auf die
Verhältnisse zur Hochwasserzeit übertragbar.
Das Sturmklima in der Nordsee hat sich nur
wenig verändert (Schmidt und v. Storch,
1993). An diesem Befund hat sich auch in
jüngster Zeit nichts geändert. Allenfalls ist
festzustellen, dass in den letzten 20 Jahren
Sturmfluten häufiger in den Monaten Januar
bis März auftraten, im gleichen Zeitraum da
vor tendenziell eher im Herbst (Löwe, 2009).
Aussagen über die weitere Entwicklung des
Sturmklimas im 21. Jahrhundert sind sehr
unsicher und zeigen nur moderate Änderun
gen (Woth et al., 2005).
Einfluss der Strombaumaßnahmen
Die Änderungen der Höhe und der Häufigkeit
von Sturmfluten in der Elbe stromauf von
Cuxhaven sind eng mit dem Ausbau der Elbe
zu einer leistungsfähigen Schifffahrtsstraße
verbunden. Auch die Anlage neuer Hafenbe
cken in Hamburg und das spätere Zuschütten
derselben in späteren Jahren hat die Wasser
stände im Hamburger Abschnitt der Elbe be
einflusst (Hensen, 1955). Deshalb hatten em
pirische Windstautabellen für Hamburg, wie
sie z. B. Schultze (1935) aufgestellt hatte, nur
so lange Gültigkeit, wie die Elbe unverändert
blieb. Aber jeder Ausbaumaßnahme der Elbe
folgte ein hydrologisch-morphologischer
Nachlauf, der das Strombett und damit die
Gezeiten in der Elbe veränderte.
Nach der verheerenden Sturmflut im Februar
1962 ist in der Unterelbe ein Schutzsystem
aus Deichen und Sperrwerken geschaffen
worden, welches ebenfalls die Scheitelwasser
stände nachfolgender Sturmfluten beeinflusste
(Siefert, 1998).
Ablauf von Sturmfluten
Den Takt einer Sturmflut geben die Gezeiten
und die Zuggeschwindigkeit der Sturm
zyklonen mit ihren typischen Zugbahnen
(Kruhl, 1978) über die Nordsee an. Entweder
sind es kleine, rasch ziehende Tiefdruck
gebiete mit schmalen Bändern hoher Wind
geschwindigkeiten (z. B. „Anatol“ 1999) oder
aber ausgedehnte Zyklonen (z. B. „Vinci
nette“ 1962), die die gesamte Nordsee mit
stürmischen nordwestlichen Winden erfassen.
Besonders letztgenannte Sturmflut ist in der
Literatur ausführlich diskutiert (Rodewald,
1962; Koopmann, 1962), und erst jüngst ist
dieses Ereignis mit einer aufwendigen nume
rischen Modellkette nachgerechnet worden
(Müller-Navarra et al., 2006). Dabei kam
heraus, dass dieser Sturm in der heutigen, mit
hohen Deichen und Sperrwerken eingefassten
Elbe zu etwa 40 cm höheren Scheitelwasser
ständen geführt hätte. Dieser Befund deckt
sich mit Ergebnissen älterer Untersuchungen
mit hydraulischen Modellen (Laucht, 1967).
Laucht gibt den Anteil, der auf die Abdäm
mung der Alten Süderelbe zurückzuführen ist,
mit 5 cm an. Im Zentimeterbereich läge wohl
auch der Einfluss auf die bloßen Gezeiten
anteile ohne Windstau, wenn man die Alte
Süderelbe mit einem Sturmflutsperrwerk ver
sieht. Dann würden die Gezeiten im Süden
Finkenwerders wieder ein mit Prielen durch
setztes Süßwasserwatt schallen (Finder,
1940).
Da die Wassermassen am 16./17. Febraur
1962 bis in die Hamburger Innenstadt ein
drangen und dort horrende Schäden verur
sachten, ist diese heute durch Sturmflut-
schutzmauem, Sperrwerke, zu schließende
Tore und andere Schutzwerke gegen ein
dringendes Wasser abgeriegelt. Bei der Flut
katastrophe 1962 ist z. B. über den Nikolai
fleet Wasser in die Kellerräume der Com
merzbank eingedrungen und hat dort die
lagernden Aktienbestände in Mitleidenschaft
gezogen, so dass diese ersetzt werden
mussten.
Aber auch von unten droht Gefahr; die bei
„normaler“ Ebbe und Flut offenen Regen
wassersiele müssen bei Sturmfluten durch
Schieber geschlossen werden.
Hamburg - die Elbe und das Wasser sowie weitere wasserbiston^h. n
wassemistonsche Beiträge, Schriften der DWhG Band 13 <; u. _
• ”»nd 13, Sicgburg 2009, ISBN 978-3-8370-2347-3