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Sylvin H. Müller-Navarra, Sturmfluten in der Elbe und deren Vorhersage im Wandel der Zeiten
Hamburg - die Elbe und das Wasser sowie weitere wassertustnn«.k„
nsche Beitrage, Schotten der DWhG.
Band
l3 . Siegburg 2009, ISBN 978-3-8370-2347-3
solchen Fällen sind noch Gegenstand der For
schung (Jensen et al., 2006).
Systematische Fehler der numerischen Wet
tervorhersage an einzelnen Orten lassen sich
manuell durch den Synoptiker oder auch
automatisch korrigieren. In der Meteorologie
existieren für letzteres seit gut 40 Jahren Vor
hersageverfahren, die auf statistische Weise
Modell Vorhersagen und gemessene Größen
miteinander verknüpfen und deutliche Ver
besserungen der Wettervorhersagen ermög
licht haben (MOS, model output statistics,
Glahn et al., 1972). Ein Beispiel für die
Brauchbarkeit des MOS-Verfahrens ist die
Flugwetterberatung. Ob sich dieses auf die
Wasserstandsvorhersage übertragen lässt,
wird zur Zeit durch das BSF1 in Zusammenar
beit mit einer auf solche Verfahren speziali
sierten Berliner Firma untersucht. Es ist zu
nächst nicht zu erwarten, dass MOS die
Sturmflutvorhersagen verbessern wird, es ist
als Werkzeug zur Verbesserung der Wassers
tandsvorhersagen bei geringeren Windge
schwindigkeiten und für die Schifffahrt anzu
sehen.
Ob Ensemble-Prediction-Systeme (EPS) die
Qualität der Sturmflutvorhersagen nachhaltig
verbessern werden, bleibt abzuwarten. Damit
wird es zwar gelingen, den vorhergesagten
Ereignissen eine Wahrscheinlichkeit zuzuord
nen, erfahrungsgemäß kann der Empfänger
der Vorhersagen und Warnungen mit derlei
Informationen aber nichts anfangen. Für den
Vorhersager ist es aber durchaus nützlich zu
wissen, ob eine hohe Prozentzahl der einzel
nen Modellläufe dieselben Zugbahnen und
Zuggeschwindigkeiten aufweist. Dann wird er
in der Lage sein, sich vielleicht etwas früher
als bisher auf das Eintreten eines Extrem
ereignisses festzulegen.
Für den Katastrophenschutz kann es je nach
Küstenabschnitt sinnvoll sein, bei Sturmfluten
neben den Scheitelwasserständen auch Infor
mationen über den Seegang zu erhalten, denn
die Deiche sind auch durch Wellenüberlauf
gefährdet (Mai, 2004). Seegangsvorhersagen
an Flachküsten bei Sturmfluten erfordern we
gen des Brechens der Wellen und wegen der
nichtlinearen Wechselwirkung mit der Strö
mung eine hohe Auflösung. Wegen des enor
men Rechenzeitbedarfs solcher Simulationen
gibt es bis heute noch keine brauchbaren ope-
rationellen Vorhersagen des seegangsbeding
ten Anteil am Anstau des Wassers für die
deutsche Küste. Es ist aber in den zurücklie
genden Jahren am BSH eine theoretische
Ausarbeitung erfolgt sowie ein erstes Nach
hersagemodell mit einer horizontalen Auflö
sung von knapp 2 km entwickelt worden (Mu-
rawski, 2007), welches in naher Zukunft für
die Vorhersage des Seegangs an der Küste
eingesetzt werden kann. Nachhersagen extre
mer Sturmfluten mit diesem Modell zeigten,
dass mit dem Brechen der Wellen im Küsten
vorfeld ein „wave-set-up“ von wenigen De
zimetern zwischen und hinter den vorgelager
ten Inseln auftritt.
Die noch bestehenden Unsicherheiten der
Windstauentwicklung auf der Elbe zwischen
Mündung und Bleckede sollen in den näch
sten Jahren durch die Entwicklung eines ope-
rationellen Tideelbemodells auf der Basis
bestehender Modelltechnologie beseitigt wer
den. Das vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) geforderte For
schungsprojekt OPTEL (Windstaustudien und
Entwicklung eines operationeilen Elbemo
dells) ist im April 2008 als Verbundprojekt
von Bundesanstalt für Wasserbau (BAW),
Deutschem Wetterdienst (DWD), Hamburg
Port Authority (HPA) und Bundesamt für
Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ge
startet. Dieses Modell wird die Modellfamilie
des BSH erweitern mit der Option, später
auch die anderen Ästuare an der deutschen
Nordseeküste einzubeziehen. Die Daten ste
hen nach operationeller Inbetriebnahme des
Elbemodells allen Verwaltungen von Bund
und Ländern zur Verfügung.